Ab dem 1. Oktober könnten in den USA 100-Prozent-Zölle auf markengeschützte Medikamente in Kraft treten. Diese Massnahme, initiiert von US-Präsident Donald Trump, zielt darauf ab, die Medikamentenproduktion in den Vereinigten Staaten zu stärken. Für die Pharmaindustrie in der Region Basel, einem global wichtigen Standort, könnte dies erhebliche Folgen haben. Die Unsicherheit ist gross, und die Branche beobachtet die Entwicklungen genau.
Wichtige Punkte
- Ab 1. Oktober drohen 100-Prozent-Zölle auf markengeschützte Medikamente in den USA.
- Novartis und Roche erwarten Ausnahmen aufgrund hoher US-Investitionen.
- Die Basler Pharmaindustrie erwirtschaftete 2020 rund 25 Milliarden Franken Wertschöpfung.
- Pläne zur Senkung der Medikamentenpreise in den USA bereiten der Branche grosse Sorgen.
- Der Kanton Basel-Stadt sieht sich mit finanziellen Unsicherheiten konfrontiert.
Drohende Zölle und ihre Auswirkungen
US-Präsident Donald Trump beabsichtigt, ab dem 1. Oktober 2024 Zölle von 100 Prozent auf markengeschützte Medikamente einzuführen. Diese Massnahme soll die Produktion in den USA fördern. Unternehmen, die keine oder zu geringe Investitionen in den Vereinigten Staaten tätigen, könnten von diesen Zöllen betroffen sein.
Die Pharmabranche in der Region Basel ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Im Jahr 2020 trug sie laut Interpharma, dem Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz, fast 25 Milliarden Franken zur nominalen Wertschöpfung bei. Dies entspricht etwa zwei Dritteln der gesamten Pharmawertschöpfung der Schweiz. Rund 27'500 Personen waren 2020 in diesem Sektor in der Region Basel beschäftigt.
Faktencheck: Basler Pharma
- Anteil an Schweizer Pharmawertschöpfung: ca. 66%
- Beschäftigte in der Region 2020: rund 27'500
- Nominale Wertschöpfung 2020: knapp 25 Milliarden Franken
Novartis und Roche: Erwartete Ausnahmen
Trotz der allgemeinen Bedrohung durch die Zölle gehen die beiden grossen Pharmakonzerne Novartis und Roche davon aus, von den 100-Prozent-Zöllen ausgenommen zu sein. Der Grund sind ihre bereits angekündigten hohen Investitionen in den USA. Novartis plant in den nächsten fünf Jahren Investitionen von 23 Milliarden Dollar, Roche sogar von 50 Milliarden Dollar.
Ein Sprecher von Novartis erklärte gegenüber der BaZ, dass die Investitionen in den USA keinen Einfluss auf den Standort Schweiz hätten. Die Produktion in der Schweiz, einschliesslich der Standorte in der Region Basel, liefere weiterhin Medikamente für über 120 Länder. Es handle sich nicht um eine Verlagerung, sondern um einen Ausbau der Kapazitäten.
"Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir keine Auswirkungen der US-Investitionen auf unsere Mitarbeitenden in der Schweiz und in anderen Ländern."
Roche betonte ebenfalls, dass ein Grossteil des in den USA verkauften Portfolios bereits dort hergestellt werde. Das Unternehmen habe in den letzten zehn Jahren über 40 Milliarden Franken in der Schweiz investiert. Diese Investitionen seien entscheidend, um den Life-Science-Standort Schweiz langfristig zu sichern.
Hintergrund: US-Handelspolitik
Die US-Regierung verfolgt seit Längerem eine Politik, die darauf abzielt, die heimische Produktion zu stärken und Importe zu reduzieren. Zölle sind ein häufig genutztes Instrument, um Unternehmen zu Investitionen im eigenen Land zu bewegen. Diese Strategie hat weitreichende Auswirkungen auf globale Lieferketten und internationale Handelsbeziehungen.
Unsicherheit für kleinere Unternehmen und den Kanton
Während Novartis und Roche sich relativ sicher fühlen, bleibt die Situation für kleinere Pharmaunternehmen in der Region Basel unklar. Es ist nicht bekannt, welche Firmen als nicht "genügend hoch" investierend eingestuft werden und somit von den Zöllen betroffen sein könnten. Die Branche ist von einer allgemeinen Unsicherheit geprägt, die sich negativ auf die Wirtschaft auswirkt.
Die genauen Auswirkungen einer möglichen Produktionsverlagerung von Basel in die USA sind schwer abzuschätzen. Der Anteil der Pharmaindustrie an der gesamten Wertschöpfung der Schweiz liegt bei fast 10 Prozent, was rund 75 Milliarden Franken entspricht. Wie gross der reine Produktionsanteil daran ist, wird jedoch weder vom Staatssekretariat für Wirtschaft noch von Interpharma detailliert erfasst.
Finanzielle Belastung für Basel-Stadt
Die drohenden Zölle sind nur ein Aspekt der finanziellen Herausforderungen, denen der Kanton Basel-Stadt gegenübersteht. Die Finanzdirektorin Tanja Soland wies im September im Rahmen der Präsentation des Kantonsbudgets 2026 auf die generelle Unsicherheit hin. Faktoren wie der Krieg in der Ukraine, Trumps erratische Aussenhandelspolitik und das Entlastungsprogramm 2027 des Bundes, das finanzielle Lasten auf die Kantone verschieben könnte, tragen dazu bei.
Zusätzlich ist unklar, wie sich die Umsetzung der OECD-Mindestbesteuerung für grosse Unternehmen auf die Kantonsfinanzen auswirken wird. "Wir sind im Blindflug", kommentierte Soland die Lage. Obwohl noch keine Sparrunden nötig seien, müsse die Regierung den Aufwand genau prüfen und ein starkes Wachstum vermeiden.
Medikamentenpreise in den USA: Die nächste Herausforderung
Noch grössere Sorgen als die Zölle bereiten der Pharmabranche Trumps Pläne zur massiven Senkung der Medikamentenpreise in den USA. Die USA gelten derzeit als der profitabelste Markt für die Pharmaindustrie.
Eine Studie der Denkfabrik Rand aus dem Jahr 2024 zeigt, dass die Preise für Originalpräparate in den USA durchschnittlich zwei- bis dreimal höher sind als in anderen Industriestaaten. Trump argumentiert, dass US-Patienten einen Grossteil der Innovationskosten für Medikamente tragen.
Die Pharmabranche hingegen betont, dass hohe Margen auf neue Medikamente notwendig sind, um die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten zu decken. Fällt dieser Erlösstrom in den USA weg, müssten andere Einnahmequellen gefunden werden.
Folgen für die Schweiz
Ein diskutiertes Modell sieht vor, Medikamentenpreise an das Bruttoinlandprodukt (BIP) eines Landes zu koppeln. Länder wie die Schweiz mit einem hohen BIP müssten dann möglicherweise höhere Preise zahlen als heute. Dies würde die Gesundheitskosten in der Schweiz weiter erhöhen.
Novartis hat bereits auf Trumps Forderungen reagiert und eines seiner Bestseller-Medikamente in den USA verbilligt. Gleichzeitig fordert Novartis-CEO Vas Narasimhan höhere Medikamentenpreise in Europa, insbesondere in der Schweiz. Er bezeichnete die Preise in der Schweiz kürzlich in der NZZ als "viel zu tief" und am unteren Ende im Vergleich zu anderen OECD-Ländern.
Eine Erhöhung der Medikamentenpreise in der Schweiz hätte direkte Auswirkungen auf das Budget des Kantons Basel-Stadt. Der Kanton gibt bereits heute rund 220 Millionen Franken pro Jahr für Prämienverbilligungen aus. Steigende Medikamentenkosten würden diese Ausgaben weiter in die Höhe treiben und die finanzielle Situation des Kantons zusätzlich belasten.