Der Künstler Cristoforo Graziano aus Sissach präsentiert seine «Wecksteine» im Tierpark Lange Erlen in Basel. Seine Werke bestehen aus gesammelten Abfällen, die er zu Kunstobjekten umgestaltet. Graziano möchte damit zum Nachdenken über Konsumverhalten und Ressourcenverbrauch anregen. Die Ausstellung ist ab dem 11. Oktober für zwei Wochen zugänglich.
Wichtige Punkte
- Cristoforo Graziano nutzt Abfall als Kunstmaterial.
- Seine Werke, die «Wecksteine», sollen zum Nachdenken über Konsum anregen.
- Die Ausstellung findet im Tierpark Lange Erlen in Basel statt.
- Ab 2026 übernimmt Graziano die Galerie «Vielfalt».
- Das Non-Profit-Modell der Galerie bleibt bestehen.
Die Entstehung der «Wecksteine»
Cristoforo Graziano, 56 Jahre alt, ist im Hauptberuf in leitender Position beim Erziehungsdepartement Basel-Stadt tätig. Seine künstlerische Leidenschaft entwickelte sich auf Spaziergängen zwischen Sissach, Itingen und Zunzgen. Dort ärgerte er sich über falsch entsorgten Abfall in der Natur.
Ein Wendepunkt war eine Kuhweide in Zunzgen. Trotz des Hinweisschilds «Ich esse lieber Gras statt Müll» lagen dort vier Bierdosen im Gras. Aus diesem Frust entstand der Wunsch, eine konstruktive Botschaft zu schaffen.
«Ich wollte den Menschen zeigen, was dieser Abfall mit der Natur und der Umwelt macht. Ich wollte sie aufwecken», erklärt Graziano seine Motivation.
Er erinnerte sich an einen Pflasterstein, den er zuvor aufgesammelt hatte. In seiner Kellerwerkstatt verwandelte er diesen Stein zum ersten bemalten Podest für seine «Wecksteine». Auf diesen Podesten platziert er Objekte aus gesammeltem Müll. Jede Skulptur wird so zu einem «Weckruf».
Interessanter Fakt
Das Elternhaus von Cristoforo Graziano in Sissach, das über 100 Jahre alte Grunder-Haus, war früher ein Treffpunkt für bekannte Künstler wie Walter Eglin und Fritz Pümpin.
Botschaft und Bedeutung der Kunstwerke
Jedes Werk von Graziano trägt einen Titel und erzählt eine Geschichte. Ziel ist es, das Bewusstsein für das eigene Konsumverhalten und den Umgang mit Abfällen zu schärfen. Graziano betont, dass er nicht moralisierend auftreten möchte.
«Ich bin überzeugt: Man kann bewusst konsumieren und auch auf Dinge verzichten», sagt er. Als Beispiel nennt er das Werk mit den gefundenen Bierdosen aus Zunzgen und alten Nägeln von einem Strassenrand in Sissach. Dieses Objekt nennt er «kein Durst mehr».
Es steht auf einem goldenen Podest, einem mit 24-Karat-Gold überzogenen Pflasterstein, der die Aufschrift «wir sind reich» trägt. Dieses Werk soll zeigen, dass materieller Reichtum oft mit Umweltkosten verbunden ist. Achtsamer Umgang mit Abfall ist notwendig, um Schäden für Lebewesen und die Umwelt zu vermeiden.
Graziano hinterfragt die Definition von Reichtum: Bedeutet es Geld, Konsum und Überfluss, oder eher Bewusstsein, Verantwortung und Nachhaltigkeit? Die Objekte können auf verschiedene Podeste gesetzt werden, was ihre Aussage je nach Interpretation verändert.
Ein Beispiel: Platziert man falsch entsorgtes Medikamentenverpackungsmaterial auf einen goldenen «Weckstein», entsteht eine Diskussion über das Gesundheitswesen. Steigende Kosten und die Frage, wer diese trägt, werden sichtbar.
Hintergrundinformation
Die Werke von Cristoforo Graziano regen zur Reflexion über den ökologischen Fussabdruck des Einzelnen an. Sie verbinden Ästhetik mit einer kritischen Betrachtung gesellschaftlicher Gewohnheiten.
Der Weg zum Künstler und die Galerie «Vielfalt Graziano»
Bis vor zwei Jahren zögerte Graziano, sich selbst als Künstler zu bezeichnen. Er hatte keine künstlerische Ausbildung und stellte die Frage nach der Definition von Künstlertum. In dieser Zeit suchte er den Kontakt zu Heinz Hänni, einem bekannten Organisator von Kunstausstellungen.
Graziano zeigte Hänni seine «Wecksteine» und erklärte seine Ideen. Hänni war beeindruckt und lud ihn zur Teilnahme an seiner nächsten Ausstellung in den «Langen Erlen» ein. Im Juli dieses Jahres gab Hänni bekannt, dass dies altersbedingt seine letzte Ausstellung sei. Diese Nachricht bewegte Graziano sehr.
Hänni hatte 18 Jahre lang Ausstellungen organisiert, davon zehn Jahre im Tierpark Lange Erlen. Er bot Künstlern eine Plattform, ermöglichte Vielfalt und verzichtete auf Verkaufsprovisionen. «Hänni bietet eine Plattform für Künstlerinnen und Künstler. Er schränkt nicht ein, lässt Vielfältiges zu und verlangt keine Verkaufsprovision. Er ermöglicht ein Zusammenkommen. Das sind alles Aspekte, die ich auch als Werte durchs Leben trage», so Graziano.
Ab dem kommenden Jahr, 2026, wird die Galerie unter dem Namen «Galerie Vielfalt Graziano» weitergeführt. Der Name lehnt sich an Hännis Galerie «Vielfältig» an, da Graziano dessen Leitbild übernehmen möchte. Hänni wird dem neuen Galeristen beratend zur Seite stehen. Dieses ehrenamtliche Engagement sieht Graziano als Grundstein des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Das Konzept der Galerie und zukünftige Pläne
Die «Galerie Vielfalt Graziano» bleibt offen für alle Kunstrichtungen und Techniken. Besonders wichtig ist die Beibehaltung des Non-Profit-Modells. Die Galerie nimmt keine Provisionen bei Verkäufen. «Es steht den Künstlerinnen und Künstlern frei, etwas vom Gewinn an die Galerie abzugeben. Was du verkaufst, kannst du in die eigene Tasche stecken», erklärt Graziano.
Auch Grazianos eigene Werke stehen zum Verkauf: Ein komplettes Werk, bestehend aus Pflasterstein und Objekt in einer Vitrine, kostet 500 Franken. Ein zusätzliches Einzelteil ist für 222 Franken erhältlich. Individuelle Zusammenstellungen sind als gerahmter digitaler Fotodruck auf Leinwand für ebenfalls 222 Franken verfügbar.
Die Weiterentwicklung des Konzepts sieht Graziano in einem stärkeren Social-Media-Auftritt und einer eigenen Website als zentrale Plattform. Den Standort der Ausstellung in den «Langen Erlen» möchte er beibehalten, da dieser Ort für ihn eine Kindheitserinnerung darstellt.
«Dieses Jahr nehme ich selbst an der Ausstellung teil, um die Abläufe kennenzulernen. 2026 sehe ich, wie es sich als Organisator anfühlt», sagt Graziano. Langfristig kann er sich auch Pop-up-Ausstellungen an wechselnden Orten vorstellen.
Nachhaltigkeit und die Botschaft der Kunst
Graziano ist sich bewusst, dass seine künstlerische Arbeit einen gewissen Widerspruch zu ihrer Botschaft birgt. Er sammelt zwar Abfall, doch die Bearbeitung mit Farben, Lacken oder Edelmetallen erzeugt wiederum neuen Müll.
«Ganz kritisch müsste ich sagen: Es entsteht Abfall, der ohne meine Kunst gar nicht existieren würde», räumt er ein.
Für Graziano liegt die Rechtfertigung in der Wirkung seiner Kunst. Er ist überzeugt, dass der Einsatz von nicht nachhaltigen Materialien sich lohnen kann, wenn die Botschaft dadurch stärker wahrgenommen und weitergetragen wird. Seine Hoffnung ist, dass die Werke Diskussionen anstossen. Die Auseinandersetzung mit Konsum und Verantwortung soll den ökologischen Fussabdruck seiner Arbeit überwiegen.
Die «Wecksteine» von Cristoforo Graziano sind zusammen mit Werken von zehn weiteren Künstlern ab dem 11. Oktober für zwei Wochen im Pavillon «Lange Erlen» zu sehen.