Eine aktuelle Umfrage in Riehen zeigt ein klares Bild: Die Einwohnerinnen und Einwohner sind unzufrieden mit dem Angebot an Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten. Lokale Geschäftsinhaber kämpfen derweil mit Nachfolgeproblemen und bürokratischen Hürden, die den dörflichen Charakter der Gemeinde gefährden.
Die Ergebnisse einer Befragung von rund 1200 Personen, die kurz vor den Wahlen veröffentlicht wurden, legen die Sorgen der Bevölkerung offen und werfen ein Schlaglicht auf die strukturellen Herausforderungen, mit denen Riehen konfrontiert ist.
Die wichtigsten Punkte
- Eine Bevölkerungsbefragung zeigt grosse Unzufriedenheit mit Gastronomie, Einkaufsmöglichkeiten und der Parkplatzsituation in Riehen.
- Lokale Betriebe wie die Papeterie Wetzel finden trotz gutem Geschäftsgang keine Nachfolger.
- Gastronomen beklagen Personalmangel und veränderte Gewohnheiten der Gäste seit der Pandemie.
- Das angespannte Verhältnis zum Kanton Basel-Stadt und langsame Bewilligungsverfahren belasten das lokale Gewerbe zusätzlich.
Gastronomie im Wandel
Wer in Riehen ein Restaurant sucht, hat nur eine begrenzte Auswahl. In manchen Quartieren gibt es gar kein gastronomisches Angebot. Dieses Problem spiegelt sich in den Erfahrungen lokaler Wirte wider. Martin Schultheiss, Inhaber der Hausbrauerei «Zur grünen Amsel» im Dorfzentrum, öffnet sein Lokal bewusst nur an zwei Tagen in der Woche.
Er wird oft gefragt, ob er nicht an zusätzlichen Tagen öffnen könne. Seine Antwort darauf ist von den aktuellen Herausforderungen der Branche geprägt. «Es fehlt an gutem Personal, und die Beizenkultur hat sich seit Corona verändert», erklärt Schultheiss. Er beobachtet, dass die Menschen nach Feierabend seltener ausgehen und weniger Alkohol konsumieren.
Fokus auf das Kerngeschäft
Angesichts dieser Umstände hat Martin Schultheiss sein Geschäftsmodell angepasst. Das Bierbrauen ist zu seinem Hauptfokus geworden. Sollte er seine Öffnungszeiten je erweitern, würde er den Schwerpunkt klar auf die Bierkultur legen, um ein spezifisches Publikum anzusprechen.
Traditionsgeschäfte vor dem Aus
Ein weiteres Problem, das den Dorfcharakter bedroht, ist das Fehlen von Nachfolgelösungen für etablierte Geschäfte. Jürg Blattner, der die Papeterie Wetzel seit fast 40 Jahren führt, kennt diese Sorge nur zu gut. Sein Geschäft läuft gut, doch einen Nachfolger hat er trotz intensiver Suche nicht gefunden.
«Hören Sie ja nicht auf!», hört Jürg Blattner regelmässig von seiner treuen Kundschaft. In zwei Jahren wird er 70 Jahre alt, doch die Zukunft seines Ladens ist ungewiss.
Blattner macht die unsichere Weltlage und die damit verbundenen Zukunftsängste für die schwierige Suche verantwortlich. Seine Papeterie profitiert von der älteren Bevölkerung in Riehen. «Die Leute hier haben teils keinen Computer, sie brauchen Karten», sagt er. Diese treue Kundschaft sichert ihm stabile Umsätze, doch die Frage der Nachfolge bleibt ungelöst.
Spannungsfeld Parkplätze und Verkehr
Die Umfrage zeigt auch eine grosse Unzufriedenheit mit der Parkplatzsituation. Obwohl das Dorfzentrum über Parkplätze verfügt und das Parkhaus der Fondation Beyeler in der Nähe ist, empfinden viele Einwohner die Lage als problematisch. Karla Milinovic vom Museum Kultur und Spiel (MUKS) Riehen sieht die Situation differenziert.
Fondation Beyeler als Faktor
Laut lokalen Geschäftsleuten und Kulturschaffenden wird die Parkplatzsituation vor allem dann kritisch, wenn in der international bekannten Fondation Beyeler grosse Ausstellungen stattfinden. Dann reicht die vorhandene Infrastruktur oft nicht aus, um den Ansturm zu bewältigen.
Die Sensibilität beim Thema Parkplätze hat auch eine politische Dimension. Viele in Riehen erinnern sich noch gut an die Abstimmung über die Parkplätze vor dem Friedhof Hörnli. Die Pläne Basels, diese zu streichen, konnten durch den Widerstand aus der Gemeinde an der Urne verhindert werden. Dieses Ereignis hat das Misstrauen gegenüber dem Kanton vertieft.
Das schwierige Verhältnis zu Basel
Lukas Bertschmann, Präsident des Handels- und Gewerbevereins Riehen, kritisiert das Verhältnis zum Kanton Basel-Stadt offen. «Im Kantonsparlament setzt man andere Prioritäten, und man vergisst regelmässig, dass es im Kanton noch zwei Landgemeinden gibt», so Bertschmann. Er verweist auf finanzielle Belastungen wie die Erhöhung der Kita-Beiträge, die das Budget der Gemeinde stark treffen, ohne dass Riehen über die gleichen Kompensationsmöglichkeiten wie der Kanton verfügt.
Wirtschaftliche Abhängigkeit und Bürokratie
Die wirtschaftliche Struktur stellt eine weitere Herausforderung dar. Riehen hat mit 0,156 Arbeitsplätzen pro Einwohner (Stand 2022) eine sehr niedrige Quote. Dies führt zu geringen Steuereinnahmen von juristischen Personen, die 2024 nur rund 2,5 Prozent der Gesamteinnahmen ausmachten. Zum Vergleich: In der ähnlich grossen Gemeinde Allschwil lag dieser Wert bei etwa 47 Prozent.
Zusätzlich beklagt Bertschmann die «mehr als verdriesslichen» Baubewilligungsverfahren. Projekte wie der Gewerbepark neben dem Friedhof Hörnli werden durch die Bürokratie im Basler Baudepartement verzögert. «Das Baugesuch wurde im Juni 2023 eingereicht», erklärt er, «aber die Ehrenrunden, die das Projekt dreht, sind unverständlich.» Diese Verzögerungen seien geschäftsschädigend und gefährdeten Arbeitsplätze.
Politik reagiert auf den Schwund
Der Schwund von Traditionsgeschäften wie dem Blumenladen Breitenstein oder dem Haushaltsladen Wenk hat inzwischen auch die lokale Politik alarmiert. Der Riehener Einwohnerrat hat reagiert und zwei Vorstösse an den Gemeinderat überwiesen, um der negativen Entwicklung entgegenzuwirken.
Die Forderungen sind klar:
- Belebung der Einkaufszentren: Es sollen Massnahmen ergriffen werden, um die Einkaufszentren im Dorf und im Rauracher-Zentrum wieder attraktiver zu machen.
- Strategie zur Wirtschaftsförderung: Der Gemeinderat wird aufgefordert, eine umfassende Strategie zu entwickeln, um das lokale Gewerbe gezielt zu stärken und neue Unternehmen anzusiedeln.
Diese politischen Schritte sollen helfen, den Dorfcharakter Riehens zu erhalten und die Lebensqualität für die Einwohnerinnen und Einwohner langfristig zu sichern.