In der Basler Stadtgeschichte gibt es Orte, die einst pulsierende Zentren des Lebens waren und heute fast vergessen sind. Eines dieser Gebäude ist das alte Warteck am Riehenring. Es war mehr als nur eine Gaststätte; es diente als inoffizieller Wartesaal für den alten Badischen Bahnhof und war ein Symbol der Basler Bierkultur um die Jahrhundertwende.
Das Gebäude stand an der ehemaligen Bahnhofstrasse, dem heutigen Riehenring, und war für viele Reisende der erste und letzte Eindruck von Basel. Hier trafen sich Pendler, Touristen und Einheimische, um auf ihren Zug zu warten, ein kühles Bier zu geniessen oder sich von einer langen Reise zu erholen. Die Geschichte des alten Warteck ist untrennbar mit der Entwicklung des Basler Schienennetzes und der lokalen Brautradition verbunden.
Das Wichtigste in Kürze
- Das alte Warteck war eine wichtige Gaststätte und ein inoffizieller Wartesaal am alten Badischen Bahnhof in Basel.
- Es befand sich am Riehenring, der damals noch Bahnhofstrasse hiess, und war ein sozialer Treffpunkt um 1900.
- Seine Bedeutung schwand mit der Verlegung des Badischen Bahnhofs an seinen heutigen Standort im Jahr 1913.
- Das Gebäude war ein Aushängeschild für die damals aufstrebende Brauerei Warteck und prägte die lokale Bierkultur.
Ein Knotenpunkt für Reisende und Geniesser
Um das Jahr 1900 war das Quartier rund um den Riehenring ein geschäftiger Ort. Der Grund dafür war der alte Badische Bahnhof, ein Kopfbahnhof, der als wichtiger Verkehrsknotenpunkt für Reisen nach Deutschland diente. Direkt gegenüber, an prominenter Lage, befand sich das Restaurant Warteck. Seine Funktion ging weit über die einer normalen Wirtschaft hinaus.
Für viele Reisende war das Warteck der eigentliche Warteraum. Während die offiziellen Hallen des Bahnhofs oft überfüllt waren, bot die Gaststätte eine gemütliche Alternative. Hier konnte man in Ruhe die Zeit bis zur Abfahrt überbrücken, eine Mahlzeit einnehmen oder eines der bekanntesten Biere der Stadt probieren. Die strategische Lage machte es zu einem unverzichtbaren Teil des Reiseerlebnisses.
Mehr als nur ein Gasthaus
Das alte Warteck war ein sozialer Schmelztiegel. Geschäftsleute trafen sich hier zu Besprechungen, Familien verabschiedeten ihre Angehörigen und Arbeiter aus der Umgebung kamen nach Feierabend auf ein Bier zusammen. Es war ein Ort des Ankommens und Abschiednehmens, ein Mikrokosmos der städtischen Gesellschaft. Die Atmosphäre war geprägt vom Kommen und Gehen der Züge und den Geschichten der Reisenden aus aller Welt.
Kontext: Basels Entwicklung zur Verkehrsmetropole
Ende des 19. Jahrhunderts erlebte Basel durch die Industrialisierung und den Ausbau des Eisenbahnnetzes ein enormes Wachstum. Die Stadt wurde zu einem internationalen Drehkreuz für Waren und Personen. Bahnhöfe waren die modernen Tore zur Welt, und die umliegenden Gaststätten und Hotels spielten eine zentrale Rolle in der städtischen Infrastruktur. Sie versorgten nicht nur Reisende, sondern waren auch wichtige wirtschaftliche und soziale Zentren.
Die Geschichte des alten Badischen Bahnhofs
Um die Bedeutung des Warteck vollständig zu verstehen, muss man die Geschichte seines direkten Nachbarn kennen: den alten Badischen Bahnhof. Dieser wurde 1862 eröffnet und ersetzte einen noch älteren provisorischen Bau. Er war ein prächtiger Kopfbahnhof, der den wachsenden Verkehr zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden abwickelte.
Der Bahnhof befand sich direkt am heutigen Riehenring, nahe der Mustermesse. Seine Lage erwies sich jedoch mit der zunehmenden Urbanisierung als problematisch. Die Gleise zerschnitten das Kleinbasler Quartier und blockierten wichtige Strassenverbindungen. Der wachsende Güter- und Personenverkehr brachte den Bahnhof an seine Kapazitätsgrenzen.
Ein Bahnhof muss weichen
Schon bald nach der Jahrhundertwende wurde klar, dass eine neue Lösung gefunden werden musste. Die Planungen für einen neuen, grösseren Durchgangsbahnhof begannen. Im Jahr 1913 wurde der heutige Badische Bahnhof an seinem jetzigen Standort an der Schwarzwaldallee eröffnet. Mit der Verlegung des Bahnhofs verlor der Riehenring seine Funktion als Verkehrsknotenpunkt.
Wichtige Daten im Überblick
- 1856: Gründung der Brauerei Warteck in Basel.
- 1862: Eröffnung des zweiten Badischen Bahnhofs am Riehenring.
- ca. 1900: Blütezeit des Restaurants "Altes Warteck" als Treffpunkt für Reisende.
- 1913: Schliessung des alten Bahnhofs und Eröffnung des neuen Badischen Bahnhofs am heutigen Standort.
Warteck Bier als Symbol Basler Braukunst
Der Name "Warteck" stand nicht nur für die Gaststätte, sondern vor allem für eine der bedeutendsten Brauereien der Region. Die Brauerei Warteck wurde 1856 gegründet und entwickelte sich schnell zu einer festen Grösse in der Basler Gastronomieszene. Das Restaurant am Bahnhof war eines ihrer wichtigsten Aushängeschilder.
"Ein kühles Warteck-Bier war für viele Reisende das erste Willkommen in Basel oder der letzte Gruss vor der Abreise. Es war ein flüssiges Stück Heimat."
Die Brauerei nutzte die Bahnhofsgaststätte geschickt als Werbeplattform. Reisende aus ganz Europa kamen hier mit dem Basler Bier in Kontakt. Die hohe Qualität und der gute Ruf des Bieres trugen massgeblich zum Erfolg des Lokals bei. Für die Basler selbst war das Warteck ein Ort, an dem sie stolz ihre lokale Brautradition präsentieren konnten.
Das Ende einer Ära und die Spuren der Vergangenheit
Mit der Verlegung des Badischen Bahnhofs im Jahr 1913 verlor das alte Warteck schlagartig seine wichtigste Existenzgrundlage. Die Ströme von Reisenden versiegten, und der Riehenring wandelte sich von einer belebten Bahnhofstrasse zu einer normalen Quartierstrasse. Das Gasthaus verlor seine überregionale Bedeutung und wurde zu einem gewöhnlichen Lokal.
Das alte Bahnhofsgebäude wurde schliesslich abgerissen, um Platz für die städtebauliche Entwicklung und die Basler Mustermesse zu schaffen. Auch das Gebäude des alten Warteck ist heute nicht mehr in seiner ursprünglichen Form erhalten. Die Fotografie aus dem Staatsarchiv Basel-Stadt um 1900 ist eine der wenigen verbliebenen Erinnerungen an diesen einst so wichtigen Ort.
Was heute noch erinnert
Obwohl die Gebäude verschwunden sind, lebt der Name Warteck in Basel weiter. Die Brauerei existierte als eigenständiges Unternehmen bis 1989 und wurde später von Feldschlösschen übernommen. Das ehemalige Brauereigelände am Burgweg wurde zu einem Zentrum für Kultur und Wohnen umgestaltet und ist heute als "Werkraum Warteck pp" bekannt.
Die Geschichte des alten Warteck am Riehenring ist ein Beispiel dafür, wie eng Stadtentwicklung, Verkehr und soziales Leben miteinander verknüpft sind. Es erinnert an eine Zeit, in der das Reisen noch ein Abenteuer war und Bahnhofsgaststätten die lebendigen Herzen der Städte waren. Es ist ein kleines, aber wichtiges Kapitel im grossen Buch der Basler Stadtgeschichte.