Das Präsidialdepartement Basel-Stadt hat ein neues Kulturleitbild vorgestellt. Es legt den Fokus auf Qualität statt Quantität und zielt darauf ab, faire Gagen für Kulturschaffende zu ermöglichen. Diese Neuausrichtung betrifft insbesondere die Musikszene und soll die Arbeitsbedingungen verbessern. Die Basler Musikszene diskutiert bereits länger über bessere Arbeitsbedingungen. Die Musikvielfaltinitiative hat diese Gespräche intensiviert. Das neue Kulturleitbild gibt dem Thema nun neuen Schwung.
Wichtige Punkte
- Der Kanton Basel-Stadt fördert künftig Qualität statt Quantität in der Kultur.
- Ziel ist die Einführung von Fair Pay für Kulturschaffende.
- Das Gare du Nord kürzt sein Programm um 20 Prozent, erhält aber höhere Subventionen.
- Ein Teil der erhöhten Gelder kommt direkt der freien Musikszene zugute.
- Es gibt unterschiedliche Meinungen zur Umsetzung in der Musikszene.
Neues Leitbild und seine Auswirkungen auf das Gare du Nord
Johanna Schweizer, Co-Geschäftsleiterin des Gare du Nord, bezeichnet das neue Leitbild als ein „wichtiges und richtiges Signal“. Das Gare du Nord ist eine Produktionsstätte für zeitgenössische Musik. Es ist direkt von den neuen Regelungen betroffen. Der Regierungsrat hat im Ratschlag zur Erneuerung des Staatsbeitrags für das Gare du Nord die „Sicherung einer hohen Qualität“ und eine „klarere Profilbildung als Kompetenzzentrum für zeitgenössische Musik“ betont.
Konkret bedeutet dies eine Kürzung des Programms um 20 Prozent. Im Gegenzug erhöht die Regierung den Subventionsbetrag erheblich. Er steigt von 495'000 auf 795'000 Franken pro Jahr. Davon ersetzen 250'000 Franken ein wegfallendes Mäzenat. Dieses Mäzenat hat den Betrieb in den letzten Jahren gesichert.
Zahlen und Fakten
- Subventionserhöhung: Von 495'000 auf 795'000 Franken pro Jahr für das Gare du Nord.
- Ersatz für Mäzenat: 250'000 Franken der Erhöhung gleichen den Verlust privater Förderer aus.
- Freie Szene: 130'000 Franken gehen direkt an die freie Musikszene.
- Programmreduktion: Das Gare du Nord kürzt sein Programm um 20 Prozent.
Direkte Unterstützung der freien Musikszene
Ein Betrag von 130'000 Franken aus dem erhöhten Beitrag ist direkt für die freie Musikszene vorgesehen. Dies teilt sich wie folgt auf:
- 30'000 Franken für die jährliche Eröffnungsproduktion.
- 50'000 Franken als Programm-Etat.
- 50'000 Franken für Mieterlassungen für freischaffende Musikerinnen und Musiker.
Zusätzlich erwirtschaftet der Betrieb jährlich weitere Gelder. Diese fliessen ebenfalls in Projekte der freien Szene. Johanna Schweizer hebt hervor, dass besonders die Mieterlassungen die Bedingungen für Freischaffende verbessern sollen. Bisher mussten freie Musiker und Ensembles, die mit eigenen Projekten im Gare du Nord auftraten, Mietbeiträge zahlen. Die Ticketeinnahmen erhielten sie selbst.
Hintergrundinformationen
Das bisherige System führte oft zu Unmut. Musikerinnen und Musiker sparten bei ihren eigenen Honoraren, um Projektfinanzierungen zu sichern. Die Mieteinnahmen waren für das Gare du Nord wichtig, um den Betrieb zu gewährleisten. Die Zahl der Veranstaltungen war über die Jahre stetig gestiegen.
Höhere Honorare durch neue Vereinbarungen
Mit der neuen Leistungsvereinbarung soll sich die Anzahl der Veranstaltungen im Gare du Nord bei etwa 80 pro Jahr einpendeln. Die Mieten für freie Musikerinnen und Musiker sollen durch die Beitragserhöhung entfallen. Dies bedeutet für sie geringere Projektausgaben. Sie können sich dadurch höhere Honorare auszahlen. Johanna Schweizer erklärt dazu:
«Ein freies Ensemble könnte so zum Beispiel dank besserer Konditionen drei statt vier Konzerte im Jahr planen und sich bessere Gagen budgetieren. Das erlaubt mehr Fokus auf ein Projekt und führt zu höherer künstlerischer Qualität durch bessere Produktionsbedingungen.»
Für Konzerte von Formationen, die bereits durch die Programmförderung Orchester unterstützt werden, sowie für Swisslos-Fonds-unterstützte Festivals bleiben die Bedingungen unverändert. Dies gilt auch für die Mietbeiträge.
Fair Pay Richtlinien und deren Anwendung
Der Regierungsrat verpflichtet das Gare du Nord, faire Honorare zu zahlen. Hierfür gibt es Richtlinien und Empfehlungen von Musikverbänden wie dem Schweizer Musikverband (SMV) und Sonart. Sonart hat kürzlich einen umfassenden Empfehlungskatalog veröffentlicht. Demnach sollte ein faires Honorar für einen Konzertauftritt 800 Franken betragen, mindestens jedoch 600 Franken. Für Proben empfiehlt Sonart 300 Franken (Fair Pay) beziehungsweise 200 Franken (Minimum Pay).
Honorarempfehlungen
- Sonart: 800 Franken für Konzertauftritt (Minimum 600 Franken), 300 Franken für Proben (Minimum 200 Franken).
- SMV Kleinformation (bis 12 Musiker): Pauschalhonorar 741 Franken (inkl. Proben).
- SMV Orchester (ab 13 Musiker): Konzerthonorar 293 Franken (inkl. Vorprobe), 185 Franken pro reguläre Probe.
Diese Empfehlungen und Tarife gelten für das Gare du Nord jedoch nur für eigene Produktionen. Dazu zählen die jährliche Eröffnungsproduktion sowie eigene Formate und Projekte wie die neue Residenzreihe „Sonic Boom“. Bei anderen Formaten liegt es weiterhin in der Verantwortung der Musikerinnen und Musiker, sich selbst angemessene Honorare auszuzahlen. Die Budgetierung fairer Gagen ist zwar in den Förderkriterien des Fachausschusses Musik vorgeschrieben. Doch oft sparen Künstlerinnen und Künstler zugunsten der Produktion an der eigenen Bezahlung.
Reaktionen aus der Musikszene
Während die Leitung des Gare du Nord die neue Richtung begrüsst, äussert sich die IG Musik Basel skeptischer. Fabian Gisler, Leiter der IG Musik, findet den Fokus auf Fair Pay wichtig. Er merkt jedoch an:
«Fair Pay soll für Institutionen und Projektförderung gleichermassen gelten. Wenn es also aufgrund fehlender Mittel zu mehr Selektion kommen muss, dann nicht nur in der freien Szene, sondern auch bei den Institutionen.»
Gisler betont, dass faire Entlöhnung kein „Nice-to-have“ sei. Er fragt, warum nicht vorgeschrieben wird, dass für Projekte im Gare du Nord durchgehend Fair Pay gilt. Diese Frage zeigt eine Diskrepanz in der Umsetzung.
Fair Pay über alle Genres hinweg
Auch Jennifer Perez, bekannt als Rapperin La Nefera, sieht Fair Pay als „absolutes Muss“. Ihr Musikstil unterscheidet sich von dem des Gare du Nord. Die neuen Sonart-Empfehlungen sind jedoch genreunabhängig formuliert. Das Fair-Pay-Konzept des Kantons Basel-Stadt soll übergreifend gelten, also auch für Rap und Pop. Perez fordert daher:
«Deshalb braucht es vor allem mehr Fördergelder für das freie Musikschaffen. Es kann nicht sein, dass die institutionelle klassische oder zeitgenössische Musik Fair Pay mit öffentlichen Geldern betreibt und dies in anderen Musikbereichen zu Lasten der Künstler*innen geht.»
Perez kritisiert zudem den Punkt der Qualität. Sie weist auf eine verbreitete Meinung hin, dass Qualität und Spitzenkultur nur in der institutionellen Klassik entstehen. Dies sei falsch. Qualität existiert in allen Genres und verdiene in allen Genres eine angemessene Finanzierung.
Vielfalt und Teilhabe trotz Selektion
Eine Herausforderung für die Abteilung Kultur wird sein, die im Gesetz verankerte Vielfalt und Teilhabe der Kultur nicht zu vernachlässigen. Dies gilt besonders bei einer selektiveren Förderung. Johanna Bartz teilt diese Ansicht. Sie ist Musikerin im Ensemble astrophil & stella. Zudem engagiert sie sich im Verein tonRaum. Dort wirkt sie an der Entwicklung von Proben-, Arbeits- und Begegnungsräumen für Musikerinnen und Musiker verschiedenster Herkunft im „CoDeck“ im Hafenquartier mit.
«Vielfalt entsteht vor allem durch kleine Projekte. Gesellschaftliche Teilhabe heisst für mich vor allem auch, dass es Konzerte in Quartierszentren, Cafés oder Kirchen gibt, die einfach erreichbar und zugänglich sind.»
Bartz betont, dass genau diese Projekte dringend auf Förderung angewiesen sind. Sie könnten jedoch durch die stärkere Selektion besonders gefährdet sein. Das Kulturleitbild muss einen Weg finden, um sowohl Qualität als auch Vielfalt zu gewährleisten. Es geht darum, eine breite kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, ohne kleine, wichtige Initiativen zu gefährden.