Die Jungsozialisten (Juso) Basel-Stadt kritisieren die hohen Gewinnmargen der Pharmaindustrie und fordern eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen. Rachele Betschart, Co-Vizepräsidentin der Juso Basel-Stadt, äussert sich im Interview zu Medikamentenpreisen, Unternehmensgewinnen und dem Bauprojekt Roche Bau 52. Sie betont, dass die Politik sich nicht von Konzerninteressen unter Druck setzen lassen sollte.
Wichtigste Punkte
- Die Juso kritisiert hohe Gewinnmargen der Pharmakonzerne (z.B. 40% bei Roche).
- Sie fordert eine Neuausrichtung der Forschung auf gesellschaftliche Bedürfnisse statt Profit.
- Die Initiative «Pharma für alle» soll Medikamentenversorgung zu fairen Preisen sichern.
- Die Juso lehnt Preiserhöhungen in der Schweiz ab und fordert Druck auf die Branche.
- Sie sieht Wegzugsdrohungen der Konzerne als «Powerplay».
- Der Bau 52 von Roche soll demokratischen Prozessen unterliegen.
Juso kritisiert Pharmagewinne und Medikamentenpreise
Rachele Betschart, Co-Vizepräsidentin der Juso Basel-Stadt, nimmt Stellung zu den wiederholten Angriffen der Juso auf die Pharmabranche. Diese Kritik umfasst Forderungen nach Verstaatlichung, einer Erbschaftssteuer für reiche Roche-Erben und Einwände gegen das Standortpaket Basel-Stadt. Betschart erklärt, dass die Pharmaindustrie mit der Gesundheit von Menschen Geld verdiene, während die Gewinnmargen sehr hoch seien.
Sie nennt das Beispiel von Roche, das zuletzt eine Gewinnmarge von etwa 40 Prozent aufwies. Dies entspricht über neun Milliarden Franken. Laut Betschart fliesst dieses Geld nicht ausschliesslich in die Forschung, sondern wird auch in Form von Dividenden an Aktionäre ausgeschüttet. Die Juso fordert, dass sich die Pharma mehr an den Bedürfnissen der Menschen als am Profit orientieren soll.
Faktencheck: Pharmagewinne
Die Gewinnmargen in der Pharmabranche gehören weltweit zu den höchsten. Laut Studien erreichen sie oft zweistellige Prozentbereiche. Diese Margen ermöglichen Investitionen in teure Forschung und Entwicklung, führen aber auch zu Debatten über faire Preise und Zugänglichkeit von Medikamenten.
Alternativen zum Profitmodell
Die Entwicklung neuer Medikamente ist aufwendig und kostspielig. Sie dauert durchschnittlich rund zehn Jahre, und viele Projekte scheitern in frühen Phasen. Betschart räumt ein, dass neue Wirkstoffe entwickelt werden müssen. Sie schlägt jedoch gesellschaftlich gerechtere Modelle vor, die nicht ausschliesslich profitorientiert sind.
Ein solches Modell ist die Initiative «Pharma für alle». Diese Initiative zielt darauf ab, eine Versorgung der Allgemeinheit mit Medikamenten zu fairen Preisen sicherzustellen. Vorgesehen ist ein Fonds, der aus Steuergeldern finanziert wird und für die Forschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe eingesetzt werden soll. Betschart betont, dass dies ein erster Schritt zu einer sozialverträglichen Versorgung sei.
«Natürlich müssen neue Medikamente entwickelt werden. Aber es gäbe auch andere, gesellschaftlich gerechtere Modelle als das profitorientierte der grossen Konzerne.»
Druck auf die Pharmabranche gefordert
Die Juso kritisiert die Forderung der Konzerne, Medikamentenpreise in der Schweiz zu erhöhen. Betschart bezeichnet dies als inakzeptabel. Sie weist darauf hin, dass es ungerecht wäre, die Preise in der Schweiz massiv anzuheben, auch wenn US-amerikanische Patienten teilweise höhere Preise zahlen. Das Gesundheitssystem der USA sei nicht mit dem schweizerischen vergleichbar.
Das Ziel muss laut Betschart sein, faire Preise für alle zu erreichen. Dies erfordere Druck auf die Pharmabranche. Eine Gewinnmarge von 40 Prozent sei astronomisch hoch und könnte zugunsten der Allgemeinheit reduziert werden. Sie betont, dass dies auch mit deutlich weniger Gewinn möglich wäre.
Hintergrund: Medikamentenpreise international
Die Preise für Medikamente variieren stark zwischen Ländern. In den USA sind sie oft höher als in Europa. Dies führt zu Diskussionen über Preisgestaltung, Forschungskosten und die Rolle der Pharmakonzerne in verschiedenen Gesundheitssystemen. Die Schweiz hat im internationalen Vergleich oft höhere Medikamentenpreise, aber auch ein hohes Versorgungsniveau.
Steuereinnahmen und Standortbedingungen
Die Pharmabranche ist ein wichtiger Steuerzahler in Basel und trägt Hunderte Millionen Franken zum Sozialstaat bei. Betschart erkennt dies an, betont aber, dass die Pharmafirmen in Basel auch sehr gute Standortbedingungen vorfinden. Es handele sich um ein Geben und Nehmen. Sie verweist auf das vom Volk bewilligte Standortpaket, das Hunderte Millionen Franken an die Konzerne zurückführt.
Die Drohungen der Konzerne, ihre Hauptsitze zu verlegen, wenn die Politik nicht nachgibt, bezeichnet Betschart als «Lieblingsdrohung». Sie glaubt nicht, dass Roche und Novartis einfach wegziehen werden, da die Bedingungen in der Schweiz und Basel zu gut seien. Sie verweist auf die massive Rechtsunsicherheit unter Donald Trump in den USA als unattraktiven Standort. Diese Drohungen seien reines Powerplay, um Druck auf die Politik auszuüben.
- 70 Millionen Franken pro Jahr: Der Betrag, der laut Betschart für den Fonds der «Pharma für alle»-Initiative benötigt würde.
- 143-fache Differenz: Das Verhältnis zwischen dem tiefsten und höchsten Lohn in den 39 grössten Schweizer Unternehmen.
Verstaatlichung und Lohnunterschiede
Die Forderung der Juso nach einer «Verstaatlichung» der Pharma sei nicht von heute auf morgen umsetzbar. Betschart präzisiert, dass «Verstaatlichen» ein grosses Wort sei und es zunächst darum gehe, eine sozialverträgliche Versorgung der Allgemeinheit mit lebenswichtigen Medikamenten zu fairen Preisen sicherzustellen. Die Initiative «Pharma für alle» sei ein erster Schritt in diese Richtung.
Die Debatte konzentriert sich auch auf die Lohnunterschiede innerhalb der Unternehmen. Betschart nennt das Beispiel des Novartis-CEO, der im letzten Jahr über 19 Millionen Franken verdient hat. Sie kritisiert, dass Manager hohe Gehälter beziehen, während Medikamentenpreise und Krankenkassenprämien für viele Menschen eine enorme Belastung darstellen.
Ein geringeres Gehalt für den Novartis-CEO würde zwar nicht direkt allen Menschen zugutekommen, wäre aber ein erster Schritt zu mehr Umverteilung und einer sozialverträglicheren Unternehmenspolitik. Es gehe um eine gerechtere Finanzierung und Verteilung von Medikamenten.
Debatte um Roche Bau 52
Ein weiteres Konfliktthema ist der Roche Bau 52. Die Juso fordert, dass der Turm entgegen dem Willen der Eigentümerin stehen bleiben soll. Betschart argumentiert, dass niemand über den demokratischen Prozessen stehe, auch nicht Roche. Die Bau- und Raumplanungskommission habe bestimmte Bestimmungen im Bebauungsplan festgehalten, die einzuhalten seien.
Auch wenn es sich um ein Privatareal handelt, habe die Politik der Roche auf ihrem Areal den Turm 3 auf Vorrat bewilligt. Bei derartigen Projekten, die das Stadtbild beeinflussen, sei eine demokratische Mitbestimmung selbstverständlich. Betschart bekräftigt: «Wir sollten nicht vor den grossen Konzernen einknicken, sondern müssen unsere Positionen selbstbewusster einbringen als demokratische Öffentlichkeit.» Dies gelte für Medikamentenpreise ebenso wie für Bauprojekte.
Roche Bau 52
Der Roche Bau 52 ist ein geplantes Hochhaus auf dem Werksgelände von Roche in Basel. Bauprojekte dieser Grössenordnung unterliegen in der Schweiz komplexen Planungsverfahren und sind oft Gegenstand öffentlicher und politischer Debatten, insbesondere wenn sie das Stadtbild prägen.
Die Juso Basel-Stadt bleibt bei ihrer kritischen Haltung gegenüber der Pharmaindustrie. Sie fordert eine Politik, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert und sich nicht von den Interessen grosser Konzerne dominieren lässt. Die Diskussionen um Medikamentenpreise und Bauprojekte sind Teil dieser umfassenderen Debatte über die Rolle von Wirtschaft und Politik in Basel.