In der Offenen Kirche Elisabethen in Basel versammeln sich immer häufiger Menschen mit ihren Haustieren, um sie segnen zu lassen. Dieser Trend spiegelt einen tiefen Wunsch nach Schutz und einem langen Leben für die tierischen Begleiter wider und wirft gleichzeitig Fragen über das Verhältnis von Mensch und Tier in unserer Gesellschaft auf.
Wichtige Erkenntnisse
- Tiersegnungen sind in Schweizer Kirchen immer beliebter.
- Besitzer suchen göttlichen Schutz und ein langes, gesundes Leben für ihre Haustiere.
- Die Beziehung zwischen Mensch und Tier wird als Liebesbeziehung betrachtet.
- Jährlich werden über 800 Millionen Franken im Detailhandel für Haustiere ausgegeben.
- Es gibt eine gesellschaftliche Debatte über den widersprüchlichen Umgang mit Haus- und Nutztieren.
Gottesdienst für Mensch und Tier in Basel
An einem Sonntagmorgen im Oktober herrscht in der Offenen Kirche Elisabethen in Basel eine ungewöhnliche Geräuschkulisse: Rund 40 Hunde bellen, während etwa doppelt so viele Menschen ihre Haustiere zum Gottesdienst mitbringen. Das Ziel ist klar: Sie wollen ihre Tiere segnen lassen. Diese Zusammenkunft zeigt, wie wichtig vielen Menschen die spirituelle Dimension im Umgang mit ihren tierischen Gefährten geworden ist.
Melida Mazdhovich, 30 Jahre alt, ist mit ihrer Rhodesian Ridgeback-Hündin Dazimah hier. Dazimah hatte ein gesundheitlich schwieriges Jahr hinter sich. Melida hofft, ihrem Tier durch den Segen des Pfarrers «gute Schwingungen» zu geben. Auch Gamse, 36, die mit ihrem Labrador Onyx anwesend ist, betont die Bedeutung des göttlichen Schutzes. Sie erklärt, dass sie zu Hause alles für das Wohl ihres Hundes tut, von Bewegung über das richtige Futter bis hin zu ausreichend Schlaf. Der Segen sei eine weitere wichtige Massnahme.
Interessanter Fakt
In der Schweiz werden gut drei Millionen Haustiere gehalten. Katzen bilden die grösste Gruppe, gefolgt von Hunden und Kleintieren.
Die spirituelle Bedeutung des Segens
Für viele Anwesende ist der persönliche Glaube an Gott zentral. Der Segen für ihr Tier hat daher eine tiefe Bedeutung. Religionswissenschaftlerin Judith Wipfler erklärt die biblische Tradition des Segens: Er erinnert an den Schöpfer, der das Leben schenkt. Es ist eine Zusage der Lebenskraft und des Wunsches nach Gesundheit und Wohlbefinden.
Pfarrer Frank Lorenz, der die Segnungen in der Basler Elisabethen-Kirche vornimmt, hebt besonders die Liebesbeziehung zwischen Mensch und Tier hervor. Er betont, dass alles, was in einer solchen Beziehung verbunden ist, nach jüdisch-christlicher Tradition gesegnet werden darf und muss. Ein Lebewesen zu segnen, bedeutet laut ihm, ihm das Leben zuzusprechen und den göttlichen Schutz zu gewähren, der auch die Bindung zwischen Tier und Halter stärkt.
Widersprüchliches Verhältnis zu Tieren
Die intensive Fürsorge für Haustiere steht im Kontrast zum Umgang mit Nutztieren in unserer Gesellschaft. Obwohl Fälle von Tierquälerei immer wieder bekannt werden, investieren die meisten Haustierbesitzer viel in das Wohl ihrer Tiere. Statistiken zeigen, dass im Schweizer Detailhandel jährlich über 800 Millionen Franken für Haustiere ausgegeben werden. Dieses Geld fliesst in Futter, medizinische Versorgung und diverse Zerstreuungsmöglichkeiten.
Hintergrundinformation
Das Angebot für Haustiere ist breit gefächert: Es reicht von speziellen Tier-Kräutertees bis hin zu luxuriösen Hundehotels mit Bodenheizung. Diese Entwicklung wird oft als eine Art Vermenschlichung der Haustiere interpretiert.
In der Predigt sprach Pfarrer Frank Lorenz die Diskrepanz zwischen Herzens- und Nutztieren an. Er bezeichnete die Haltung von Nutztieren, die schnell viel Fleisch produzieren sollen, als «nicht Schöpfung, das ist Gewalt und teilweise auch Hölle.» Diese Worte trafen den Nerv vieler Gottesdienstbesucher.
Veganismus und die Frage der Gleichbehandlung
Melida Mazdhovich, die ihren Hund Dazimah segnen liess, lebt konsequent vegan. Für sie ist klar, dass sie ihrem Hund die gleiche Aufmerksamkeit und Zuwendung schenkt wie einem Menschen. Darum isst sie selbst kein Fleisch. Sie gehört zu einer kleinen, aber wachsenden Gruppe in der Schweiz: Gemäss Swissveg leben weniger als ein Prozent der Bevölkerung vegan. Vegetarisch leben immerhin knapp fünf Prozent.
«Unser Verhältnis zu den Tieren lässt sich erst messen, wenn wir alle Tiere gleich behandeln. Ich esse zum Beispiel meinen Hund nicht, esse aber Kalbfleisch.»
Gamse, die mit Labrador Onyx im Gottesdienst war, spricht den Widerspruch offen an. Sie betont, dass das Verhältnis zu Tieren selektiv bleibt, solange man zwischen Haustieren und Nutztieren unterscheidet. Diese Debatte über Tierethik gewinnt an Bedeutung, während die Wertschätzung für Haustiere in der Gesellschaft zunimmt.
Ein Trend mit langer Tradition
Der Wunsch, Haustiere segnen zu lassen, ist kein neues Phänomen. Die Offene Kirche Elisabethen in Basel bietet solche Segnungen bereits seit über 30 Jahren an. In den letzten Jahren sei die Zahl der Menschen mit Hunden stark gestiegen, so Pfarrer Frank Lorenz. Doch nicht nur Hunde erhalten den Segen: Auch Wollschweine, Ponys und sogar eine Vogelspinne wurden in der Vergangenheit schon gesegnet.
Kirchen wehren sich gegen den Vorwurf, Tiersegnungen seien ein Marketingkonzept gegen Mitgliederschwund. Der Verein «Aktionskreis Kirche und Tier» betont, dass das Gebot der Nächstenliebe auch Tiere einschliesst. Diese Haltung findet bei den Besuchern der Basler Tiersegnung breite Zustimmung. Es zeigt sich, dass die spirituelle Verbundenheit mit Tieren ein tiefes, menschliches Bedürfnis ist, das in der modernen Gesellschaft immer mehr Raum findet.




