Das Pharmaziemuseum Basel, das sein 100-jähriges Bestehen feiert, beherbergt eine umfangreiche Sammlung historischer Heilmittel. Diese alten Rezepturen, die teils über 250 Jahre alt sind, geben Einblicke in die medizinischen Praktiken vergangener Zeiten. Von einfachen Birkensäften bis zu komplexen Anwendungen mit Regenwürmern zeigen die Dokumente, wie Menschen in Notzeiten Krankheiten zu begegnen versuchten.
Wichtige Erkenntnisse
- Das Pharmaziemuseum Basel feiert 100 Jahre und zeigt historische Heilmittel.
- Alte Hausmittel reichten von Birkensaft gegen Kopfschmerzen bis zu Regenwürmern gegen Fieber.
- Friedrich Tschudins Rezeptsammlung von 1763 enthält spezielle Heilmittel für Kinder.
- Die ländliche Bevölkerung war auf diese Hausrezepte angewiesen.
- Viele Rezepte basierten auf Naturprodukten und volkstümlichem Wissen.
Das Pharmaziemuseum Basel und seine Schätze
Das Pharmaziemuseum Basel ist eine bedeutende Institution. Es bewahrt Zeugnisse der Pharmaziegeschichte auf. Am 9. Oktober feiert das Museum sein 100-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass werden besondere Exponate und Geschichten aus den Archiven hervorgehoben. Dazu gehören auch alte Rezeptsammlungen, die oft über Generationen weitergegeben wurden.
Diese Sammlungen bieten einen tiefen Einblick in die damalige Vorstellung von Gesundheit und Krankheit. Viele der Rezepte wirken aus heutiger Sicht ungewöhnlich. Sie spiegeln jedoch den Wissensstand und die verfügbaren Mittel der Zeit wider. Die Menschen verliessen sich auf das, was die Natur bot und auf überliefertes Wissen.
Alltägliche Leiden und ungewöhnliche Heilmethoden
Ein Beispiel für ein solches Mittel ist die Anwendung gegen Warzen. Ein Rezept besagt: «Nimm das Eingeweide von einer Henne, salze es und lasse es sechs Tage stehen, so wird es zu Wasser. Wasche die Hände damit.» Der Verfasser versichert die Wirksamkeit mit den Worten: «Ist gut gar.» Solche Anweisungen finden sich in den historischen Dokumenten des Museums.
Kopfschmerzen, ein häufiges Leiden, wurden ebenfalls mit speziellen Mitteln behandelt. Ein Rezept empfiehlt Birkensaft: «Bohre ein Loch in eine Birke an unser Frauentag im März. Tue einen Nagel hinein und am dritten Tag ziehe den Nagel heraus. Das Wasser fange in einem Guter. Es ist zäh und tut gut. Die Schläfe und das Haupt damit benetzt, ist bewährt und gut. Dies Wasser musst du nicht am Waschtag heraufnehmen, auch soll es kein Weibsbild anrühren.» Die Anweisung zeigt auch Aberglauben und soziale Normen der Zeit.
Interessanter Fakt
Viele der alten Rezepte enthalten genaue Anweisungen zur Gewinnung und Zubereitung der Zutaten. Dies zeigt, dass die Herstellung der Heilmittel oft ein aufwendiger Prozess war, der Geduld und Präzision erforderte.
Regenwürmer gegen Fieber und andere Leiden
Fieber und Schüttelfrost waren ernste Bedrohungen. Ein altes Rezept schlägt die Verwendung von Regenwürmern vor: «Nimm Erden- oder Regenwürmer in grossen Erbsen. Sonderlich gut aber sind sie im Heumonat (Juli). Solche sollen in ein Glas getan werden, neun Tage lang an die Sonne gestellt werden, aber an einen solchen Ort, dass der Mont des Nachts darauf scheint. Und am neunten Tag wieder in Öl getan, in dem Geld lag. Damit soll dem, der das Fieber hat, die Ballen und den Daumen Wohl eingesalbt werden. Wenn er durch das Fieber friert, so wird es ihn nun in einer Eile verlassen.» Dieses Beispiel verdeutlicht die damalige Verbindung von Naturbeobachtung und volkstümlicher Magie.
Auch bei Verdauungsproblemen gab es Hausmittel. Braunwurz wurde bei Verstopfung eingesetzt: «Nimm Braunwurz, stoss sie zu Pulver und nimm das Pulver mit einer Erbsenbrühe ein. Bringt den Stuhlgang.» Solche einfachen, aber direkten Anweisungen waren typisch für die damalige Zeit.
Wacholderbeeren und der Glaube an Unsichtbarkeit
Seitenstechen, ein akutes Schmerzleiden, wurde mit Wacholderbeeren behandelt. «Nimm Wacholderbeeren und stosse sie zu Pulver. Vermische Fenchelsamen darin und trinke es im Wein. Es hilft gewiss.» Die Kombination von Naturprodukten und Alkohol war weit verbreitet.
Manche Rezepte zeugen von einem tiefen Glauben an Magie und übernatürliche Kräfte. Ein Beispiel ist das Rezept, um unsichtbar zu werden: «Erwürge einen jungen Raben in dem Nest, dass ihm das Maul aufspringt. So holt der Rabe ein Stein und legt ihn dem Jungen in das Maul. So ist er unsichtbar. Den Stein nimm und nimm ihn auch in das Maul, so bist du unsichtbar.» Solche Anweisungen zeigen die Grenzen zwischen Medizin, Aberglauben und Volksglauben auf.
«Die alten Rezeptsammlungen sind nicht nur medizinische Dokumente, sondern auch kulturelle Zeugnisse. Sie erzählen von den Hoffnungen und Ängsten der Menschen in einer Zeit, in der die moderne Medizin noch nicht existierte.»
Liebeszauber und die Sammlung Tschudin
Neben Heilmitteln finden sich auch Rezepte für Liebeszauber. Eines davon soll bewirken, dass ein Mädchen jemanden unbedingt haben muss: «Du musst über eine Wiese gehen und ein vierblättriges Kleeblatt bekommen, das noch ganz ist und kein Loch hat. Du musst es aber nicht abbrechen, bis du es brauchen willst, und musst es vasen (eintopfen) nach des Mädchens Tauf- und Geschlechtsnamen. Hernach musst du den Klee mit Geld, welches du dem Mädchen auf die Ehre gibst, abbrechen, damit du den Klee nicht mit den Händen anrührst. Und wenn du ihn abnimmst, so musst du deinen Namen und des Mädchens Tauf- und Geschlechtsnamen sprechen, und dies dreimal im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Trage diesen Klee mit dem Geld bei dir, bis es dürr ist, tue ihn in den Wein, gib dem Mädchen davon zu trinken, so wird es grosse Liebe geben. Sie muss dir auch das Geld abnehmen. Ist gut erfunden und probiert.» Solche detaillierten Anweisungen zeigen die Bedeutung von Ritualen.
Hintergrundinformationen
Die ländliche Bevölkerung hatte oft keinen Zugang zu studierten Ärzten. Sie war auf das Wissen von Heilkundigen und auf überlieferte Hausmittel angewiesen. Diese Rezepte waren daher oft die einzige Hoffnung auf Linderung bei Krankheiten.
Friedrich Tschudins Rezeptsammlung: Einblick in die Kinderheilkunde
Eine besonders wichtige Sammlung ist die 230-seitige Handschrift des Wundarztes Friedrich Tschudin aus Waldenburg. Sie stammt aus dem Jahr 1763. Diese Sammlung ist bemerkenswert, da sie spezielle Rezepte für Kinder enthält. Dies ist vor dem Hintergrund der damals hohen Kindersterblichkeit in Waldenburg zu sehen. Damals starben zwei Drittel der Bevölkerung vor dem 14. Lebensjahr.
Tschudin war kein studierter Mediziner. Seine Notizen waren jedoch professionell und pragmatisch. Er beschrieb zum Beispiel detailliert, wie bei einer Bauchwunde mit heraushängenden Gedärmen vorzugehen ist. Solche Anleitungen konnten in Notfällen Leben retten. Sie waren für die Menschen auf dem Land, die selten Zugang zu Ärzten hatten, von grosser Bedeutung. Die Sammlung Tschudin ist ein wertvolles Dokument für die Medizingeschichte.
- Birkensaft: Gegen Kopfschmerzen, nur von Männern zu sammeln.
- Hühnereingeweide: Gegen Warzen, nach sechstägiger Zersetzung.
- Regenwürmer: Gegen Fieber und Schüttelfrost, in Öl und Geld eingelegt.
- Braunwurz: Als Pulver mit Erbsenbrühe gegen Verstopfung.
- Wacholderbeeren: Mit Fenchelsamen in Wein gegen Seitenstechen.
Die Ausstellungen im Pharmaziemuseum Basel lassen die Besucher in diese vergangene Welt eintauchen. Sie zeigen, wie sich die Menschen vor Jahrhunderten selbst halfen. Diese historischen Heilmethoden sind ein wichtiger Teil des kulturellen Erbes. Sie erinnern uns an die Entwicklung der Medizin und an die Bedeutung des wissenschaftlichen Fortschritts.