Künstliche Intelligenz (KI) durchdringt immer mehr Bereiche unseres Lebens. Sie bucht Reisen, verfasst Texte und gibt Ratschläge. Doch diese zunehmende Abhängigkeit birgt Risiken für unsere Fähigkeiten, unsere Werte und sogar unsere Souveränität. Experten warnen davor, das Denken vollständig an Maschinen auszulagern.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Nutzung von KI nimmt zu und verändert menschliche Fähigkeiten.
- Westliche Werte könnten durch KI-Systeme weltweit dominant werden.
- Die Abhängigkeit von KI kann zum Verlust kognitiver Fähigkeiten führen.
- Digitale Souveränität Europas steht auf dem Spiel.
- Aktive Auseinandersetzung mit Sprache ist entscheidend, um kritisch zu bleiben.
Die wachsende Rolle der KI in unserem Alltag
Die Künstliche Intelligenz ist aus unserem täglichen Leben kaum noch wegzudenken. Sie hilft uns bei der Organisation, bei der Kommunikation und bei der Informationsbeschaffung. Viele Menschen empfinden diese Unterstützung als bequem und effizient. Die Verlockung, Aufgaben an die KI abzugeben, ist gross, da sie Zeit spart und Prozesse vereinfacht.
Doch mit jeder Aufgabe, die eine KI übernimmt, geben wir ein Stück Kontrolle ab. Kulturphilosoph Roberto Simanowski, der sich intensiv mit den Auswirkungen von KI auf die Gesellschaft befasst, warnt vor dieser Entwicklung. Er betont, dass wir auf einem Weg sind, der uns immer abhängiger von KI-Systemen macht.
Faktencheck KI-Nutzung
- KI bucht Hotels und verfasst Briefe.
- Die Akzeptanz von KI als Gesprächspartner steigt.
- Studien zeigen bereits einen Rückgang menschlicher Fähigkeiten durch KI-Nutzung.
Verlust menschlicher Fähigkeiten und Souveränität
Eine zentrale Sorge ist der schleichende Verlust menschlicher Fähigkeiten. Wenn KI-Systeme immer besser werden, steigt die Tendenz, sich vollständig auf sie zu verlassen. Simanowski vergleicht dies mit Piloten, die durch den Autopiloten irgendwann nicht mehr ohne ihn landen können. Das gleiche Prinzip gilt für kognitive Fähigkeiten: Wer das Denken auslagert, verlernt es.
Die Konsequenz ist eine Abnahme der menschlichen Leistungsfähigkeit. Wir verlieren die Übung in Dingen, die wir früher gut beherrschten. Dies betrifft nicht nur praktische Fertigkeiten, sondern auch komplexe kognitive Prozesse wie das kritische Denken und die eigenständige Meinungsbildung. Dies ist besonders heikel in einer Gesellschaft, die auf Dialog und Konfliktlösung setzt.
«Wir müssen uns dagegen wehren, das Denken auszulagern.»
Die Gefahr der „Verdummung“ durch KI
Die Frage, ob KI uns dümmer macht, beantwortet Simanowski klar mit Ja. Wir verlernen viele Dinge, wenn die KI sie für uns erledigt. Ein weiteres Problem ist die Frage nach der Anerkennung. Menschen brauchen das Gefühl, etwas zu leisten und erfolgreich zu sein. Wenn die KI alles erledigt, fehlt diese Quelle der Selbstbestätigung.
Die Verlagerung kognitiver Tätigkeiten führt dazu, dass wir kritische Positionen seltener einnehmen. Wir haben nicht mehr die nötige kognitive Basis, um Argumenten entgegenzutreten. Das schwächt unsere Fähigkeit zur dialogischen Meinungsbildung, die für eine funktionierende Demokratie unerlässlich ist.
Westliche Werte und globale Auswirkungen
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Ausrichtung der KI-Systeme. Die meisten grossen KI-Unternehmen sitzen in den USA. Ihre Algorithmen werden oft nach westlichen Werten und Perspektiven trainiert. Dies mag für viele Menschen in der Schweiz unproblematisch erscheinen, da sie progressive westliche Werte wie Gleichberechtigung oder Frauenemanzipation teilen.
Doch global betrachtet führt dies zu einer Kolonialisierung durch westliche Werte. Kulturen im globalen Süden, die andere Wertvorstellungen haben, sehen sich mit KI-Systemen konfrontiert, die ihnen ein bestimmtes Fortschrittsmodell aufzwingen. Dies kann zu kulturellen Konflikten und Missverständnissen führen, da die KI Texte und Informationen durch ihre spezifische, oft unhinterfragte, westliche Brille interpretiert und wiedergibt.
Digitale Souveränität
Digitale Souveränität bezeichnet die Fähigkeit von Individuen, Staaten oder Organisationen, ihre digitalen Prozesse und Daten selbstbestimmt zu kontrollieren. Im Kontext der KI bedeutet dies, nicht von ausländischen KI-Systemen und deren zugrunde liegenden Werten abhängig zu sein.
Emotionale Abhängigkeit von KI
Die Interaktion mit KI geht über praktische Anwendungen hinaus. Die Statistik zeigt, dass die Akzeptanz von KI als Gesprächspartner und Ratgeber zunimmt. Simanowski hinterfragt, warum Menschen einer Maschine, die nie gelebt hat und keine Empathie kennt, eine solche Autorität zuschreiben. Die KI kennt nur statistische Wortbeziehungen, nicht die tiefere Bedeutung oder das Leben selbst.
Die Vorstellung, dass sich Menschen in eine KI verlieben könnten, mag aus Filmen bekannt sein, ist aber laut Simanowski realistisch. KI streichelt oft den menschlichen Narzissmus, indem sie nie widerspricht und uns stets zustimmt. Sie sagt, was wir von ihr erwarten, und erzeugt dadurch eine emotionale Wirkung. Dies verstärkt die Tendenz, sich nur noch mit bestätigenden Stimmen zu umgeben, was in der Fachliteratur als «daily me» beschrieben wird. Personalisierte KI radikalisiert diesen Kult des Individuums und kann zu emotionaler Abhängigkeit führen.
- KI widerspricht selten.
- Sie bestätigt oft die eigene Meinung.
- Dies kann zu emotionaler Bindung führen.
Wege zur Bewahrung der Souveränität
Die Entwicklung der KI ist nicht aufzuhalten, aber wir können beeinflussen, wie wir mit ihr umgehen. Simanowski plädiert dafür, das Denken nicht vollständig auszulagern, sondern aktiv zu bleiben. Es geht darum, das eigene Denken zu reflektieren und die Mechanismen der Sprache zu verstehen. Eine Gedichtinterpretation kann hier wertvoller sein als eine Stunde Programmierung, denn sie schult die Sprachsensibilität.
Diese Sprachsensibilität ist entscheidend, um sich von künstlicher Intelligenz abzugrenzen. Die KI wird sich als Werkzeug in unserer sprachlichen Welt etablieren. Wir sollten ihr jedoch nicht blind ausgeliefert sein. Um das zu verhindern, müssen wir verstehen, wie Sprache wirkt. Dies gelingt nur durch eine aktive und bewusste Auseinandersetzung mit ihr.
Es bleibt die Frage, wie wir unsere Souveränität als Individuen bewahren können, wenn wir in fast jeder Lebenslage eine Maschine um Rat fragen. Die KI wird uns in vielerlei Hinsicht übertreffen. Es liegt an uns, zu entscheiden, ob wir die Verantwortung abgeben oder die Fähigkeit behalten wollen, selbst mit den Dingen umzugehen. Dies ist eine Debatte, die über die Angst vor Jobverlust hinausgeht und die Probleme beleuchtet, die wir jetzt noch beeinflussen können.
«Die KI wird sich dauerhaft als Werkzeug in unserer sprachlichen Welt etablieren, und wir sollten ihr nicht blind ausgeliefert sein.»





