In Birsfelden im Kanton Basel-Landschaft hat ein neues, automatisiertes Verkehrskontrollsystem seit seiner Einführung Mitte September bereits 20'000 Bussen ausgestellt. Die Massnahme soll den Schleichverkehr durch Wohnquartiere eindämmen, stösst jedoch auf rechtliche Bedenken von Bundesbehörden.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Mitte September wurden in Birsfelden 20'000 Bussen zu je 100 Franken ausgestellt.
- Das System soll Autofahrer daran hindern, Staus auf der Autobahn und der Hauptstrasse zu umfahren.
- Die täglichen Verstösse sind von anfänglich 1000 auf rund 300 zurückgegangen.
- Das Bundesamt für Strassen (Astra) prüft die Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Massnahme.
Erste Bilanz der umstrittenen Massnahme
Die Gemeinde Birsfelden zieht eine erste Bilanz ihrer neuen automatischen Durchfahrtskontrolle. Wie die Gemeindeverwaltung am Freitag mitteilte, wurden insgesamt 20'000 Bussen an Fahrzeuglenker versendet, die unerlaubt Quartierstrassen als Abkürzung nutzten.
Von diesen Bussen ist bisher rund ein Viertel bezahlt worden. Martin Schürmann, der Leiter der Gemeindeverwaltung, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass dieser Wert den Erwartungen entspreche. Für die restlichen 70 Prozent der ausgestellten Bussen seien die Zahlungsfristen noch nicht abgelaufen.
Ein kleinerer Teil von etwa fünf Prozent der Bussen konnte bisher nicht zugestellt werden. Die Gründe dafür sind laut Schürmann noch nicht identifizierte Fahrzeughalter oder ungültige Adressdaten.
Zahlen und Fakten zur Bussenflut
- Gesamtzahl der Bussen: 20'000
- Bezahlte Bussen: ca. 25 %
- Offene Bussen: ca. 70 % (Zahlungsfrist läuft)
- Nicht zustellbar: ca. 5 %
- Bussenhöhe: 100 Franken pro Verstoss
Deutlicher Rückgang der Regelverstösse
Trotz der hohen Anzahl an Bussen scheint die Massnahme ihre beabsichtigte Wirkung zu entfalten. Zu Beginn des Betriebs wurden täglich rund 1000 unerlaubte Durchfahrten registriert. Diese Zahl sorgte für grosse öffentliche Aufmerksamkeit.
Mittlerweile hat sich die Situation stabilisiert. Laut der Gemeinde liegt die Anzahl der Übertretungen seit etwa einer Woche bei konstant rund 300 pro Tag. Dies entspricht einem Rückgang von 70 Prozent im Vergleich zur Anfangsphase.
"Am wichtigsten: Der Verkehr in den Quartierstrassen ist spürbar zurückgegangen", betonte Martin Schürmann.
Eine detaillierte Auswertung, aus welchen Regionen die gebüssten Fahrzeuglenker stammen, liegt der Gemeinde nach eigenen Angaben noch nicht vor.
Funktionsweise der automatischen Kontrolle
Kameras erfassen Nummernschilder
Das System in Birsfelden wurde eingeführt, um den zunehmenden Ausweichverkehr zu bekämpfen. Viele Autofahrer nutzten die ruhigen Wohnstrassen, um dem dichten Verkehr auf der Autobahn A2 und der Hauptstrasse in Richtung Basel zu entgehen. Dies führte zu einer erheblichen Belastung für die Anwohner.
Die Kontrolle funktioniert vollautomatisch: Kameras an den Ein- und Ausfahrten der betroffenen Strassen erfassen die Nummernschilder aller Fahrzeuge. Eine Software gleicht die Daten ab. Fahrzeuge, die die Zone nur durchqueren, ohne ein legitimes Ziel wie Anwohnerbesuch zu haben, werden identifiziert. Der Halter erhält daraufhin eine Busse von 100 Franken.
Hintergrund: Kampf gegen Schleichverkehr
Viele Gemeinden in der Schweiz, insbesondere in Agglomerationen und an Hauptverkehrsachsen, kämpfen mit dem Problem des Schleichverkehrs. Moderne Navigations-Apps leiten Autofahrer bei Stau oft aktiv durch Wohnquartiere. Birsfelden ist eine der ersten Gemeinden, die zur Lösung dieses Problems auf eine grossflächige, automatisierte Überwachung setzt.
Bundesamt äussert rechtliche Bedenken
Die Massnahme in Birsfelden hat auch das Bundesamt für Strassen (Astra) auf den Plan gerufen. Die Bundesbehörde beobachtet den Betrieb genau und äussert rechtliche Vorbehalte. Obwohl die Verkehrsanordnung grundsätzlich in der Zuständigkeit der Gemeinde liegt, stellt das Astra die Verhältnismässigkeit infrage.
Thomas Rohrbach, Sprecher des Astra, erklärte gegenüber Keystone-SDA, es sei unklar, ob die Massnahme im öffentlichen Interesse liege. Eine zentrale Frage sei, ob es sich dabei um eine Form von indirektem Road-Pricing handle.
Gemäss der Bundesverfassung ist die Benutzung öffentlicher Strassen grundsätzlich gebührenfrei. Ausnahmen müssten vom Parlament beschlossen und eine flächendeckende Einführung würde eine Verfassungsänderung erfordern.
"Wir erwarten, dass dies ein Gericht beurteilen wird", so Rohrbach.
Die rechtliche Auseinandersetzung könnte somit weitreichende Folgen für ähnliche Projekte in anderen Schweizer Gemeinden haben. Die Zukunft des Birsfelder Modells hängt massgeblich von einer richterlichen Klärung ab.





