Raphael Wyniger, eine prägende Figur in der Basler Gastronomieszene, stand 2010 kurz vor dem finanziellen Aus. Heute führt der 50-Jährige eine Unternehmensgruppe mit rund 700 Mitarbeitenden. Seine Geschichte, die mit der Übernahme des traditionsreichen Teufelhofs begann, zeigt einen bemerkenswerten Weg von der Krise zum kontrollierten Wachstum.
Das Wichtigste in Kürze
- Raphael Wyniger übernahm mit 33 Jahren das Hotel Teufelhof in Basel und geriet wenige Jahre später in finanzielle Schwierigkeiten.
- Ein Notkredit seines Vaters im Jahr 2010 bewahrte ihn vor der Insolvenz und markierte einen Wendepunkt.
- Seine Expansionsstrategie basiert darauf, talentierte Mitarbeitende zu halten, indem er ihnen neue Führungspositionen in neuen Betrieben anbietet.
- Heute umfasst die Wyniger-Gruppe zahlreiche Restaurants, ein Catering-Unternehmen, eine Bäckerei und beschäftigt rund 700 Personen.
Ein früher Traum und die ersten Hürden
Schon in jungen Jahren war für Raphael Wyniger klar, dass er Hotelier werden wollte. Inspiriert wurde er durch seinen Grossvater, der im Tessin in der Parahotellerie tätig war. Dieser frühe Entschluss prägte seinen beruflichen Werdegang, den er konsequent verfolgte.
Seine Ausbildung führte ihn von der Handelsschule in Münchenstein an die Hotelfachschule in Luzern. Praktische Erfahrungen sammelte er in renommierten Häusern wie dem Beau-Rivage Palace in Lausanne und dem Castello del Sole in Ascona. Besonders das Küchenpraktikum in Lausanne beschreibt er als „pickelhart“ mit einem rauen Umgangston. Auch im Basler Teufelhof absolvierte er ein Praktikum im Service – ein Ort, der später zu seinem beruflichen Zentrum werden sollte.
Einblick in eine andere Welt
Bevor er sich vollständig der Gastronomie verschrieb, machte Wyniger einen Abstecher in die Unternehmensberatung bei PricewaterhouseCoopers (PWC). Er wollte die Wirtschaftswelt verstehen, merkte aber schnell, dass ihm die Arbeit zu abstrakt war. „Wenn ich einem Gast einen Kaffee serviere, sehe ich, ob er ihn gut findet oder nicht. Dieses Menschenorientierte ist es, was mich immer fasziniert hat“, erklärt er seinen Entschluss zur Rückkehr in die Branche.
Im Anschluss arbeitete er sieben Jahre bei Baseltourismus, zuletzt als Vizedirektor. In dieser Zeit vermarktete er die Stadt Basel und erlebte Grossanlässe wie die Fussball-Europameisterschaft 2008 mit.
Die Übernahme des Teufelhofs und die Krise
Im Alter von 33 Jahren erhielt er das Angebot, den Teufelhof von den Gründern Monica und Dominique Thomi zu übernehmen. Trotz der grossen Herausforderung zögerte er nicht. „Ich war beseelt. Ich habe mir keine Gedanken gemacht, ob ich das kann“, erinnert er sich. Die Finanzierung erwies sich jedoch als schwierig; fast zwei Jahre lang suchte er nach einer Bank, die ihm den notwendigen Kredit gewährte.
Tiefpunkt im Jahr 2010
Das Jahr 2010 wurde für Wyniger zur Zerreissprobe. Er konnte die Löhne seiner Angestellten nicht mehr bezahlen, da die Bank sein Geschäftskonto gesperrt hatte. In dieser Situation sprang sein Vater mit einem Notkredit ein. „Ich steckte das Geld in mein Jackett und schwor mir: Das passiert nie wieder“, so Wyniger über diesen entscheidenden Moment.
Um das Unternehmen zu sanieren, musste er Personal entlassen und übernahm viele administrative Aufgaben selbst. Dieser Schritt war schmerzhaft, aber notwendig, um den Betrieb zu retten.
Der Wendepunkt und die neue Strategie
Ab 2011 begann sich die Lage zu verbessern. Mit einer Neuausrichtung des Konzepts wandelte Wyniger den Teufelhof von einem „Kultur- und Gasthaus“ zu einem „Gast- und Kulturhaus“. Der Fokus lag fortan stärker auf Firmenkunden und Veranstaltungen, was sich als erfolgreich erwies. Die Finanzen stabilisierten sich, und der Notkredit konnte zurückgezahlt werden.
Bis 2015 liefen die Geschäfte so gut, dass Wyniger vor einer strategischen Entscheidung stand: verkaufen oder expandieren. Er entschied sich für das Wachstum, jedoch mit einem besonderen Ansatz.
„Ich hatte gute Leute, die weiterziehen wollten, weil sie im Teufelhof keine Perspektive mehr sahen. Was tun?“
Diese Frage wurde zum Leitmotiv seiner Expansionsstrategie. Statt talentierte Mitarbeitende zu verlieren, begann er, für sie neue Möglichkeiten innerhalb einer wachsenden Gruppe zu schaffen. Er bot ihnen an, neue Betriebe unter dem Dach der Wyniger-Gruppe zu leiten. Eine zentrale Verwaltung für Buchhaltung, Personal und Marketing steigerte die Effizienz und senkte die Finanzierungskosten für neue Projekte.
Das Wachstum der Wyniger-Gruppe
Die Expansion erfolgte schrittweise und organisch. Jedes neue Lokal entstand aus einer konkreten personellen Situation heraus, nicht aus einem reinen Expansionsdrang.
- 1777 im Schmiedenhof: Nach einer Ausschreibung der GGG erhielt Wyniger den Zuschlag und wusste sofort, welcher Mitarbeiter die Leitung übernehmen sollte. Der Name erinnert an das Gründungsjahr der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige.
- Ufer 7, Beef 7, Buvette 7: Eine „Spielerei“ mit der Zahl Sieben, die zu einem Markenzeichen wurde.
- Waldhaus beider Basel: Als sein Bruder Lukas den Wunsch äusserte, das Lokal in Birsfelden zu führen, unterstützte Wyniger ihn dabei.
- Taverne Johann: Ein weiterer Betrieb wurde gegründet, um einen hochqualifizierten Mitarbeiter zu halten, der die Gruppe sonst verlassen hätte.
- Otto Pizza: Das neueste Projekt, initiiert von seinem Bruder. Der Name „Otto“ leitet sich von den acht Zutaten einer klassischen Pizza Margherita ab.
Mehr als nur Restaurants
Die Wyniger-Gruppe ist heute ein diversifiziertes Unternehmen. Dazu gehören das Ryago Catering, das täglich 6000 Mahlzeiten für Schulen und Heime liefert, die Eventplattform Klybeck 610, die traditionsreiche Bäckerei Beschle, eine hauseigene Brauerei im Teufelhof sowie eine Kaffeerösterei. Insgesamt beschäftigt die Gruppe rund 700 Personen.
Führung und Zukunftsvision
Trotz der Grösse seines Unternehmens kann Raphael Wyniger nach eigenen Angaben nachts ruhig schlafen. Er führt die Gruppe nicht allein, sondern stützt sich auf ein starkes Team und einen erfahrenen Verwaltungsrat, dem auch seine Frau Nathalie angehört. Dieses Gremium agiert als kritisches Korrektiv und stellt sicher, dass Entscheidungen fundiert sind.
Sein zentraler Antrieb bleibt die Sicherung der Zukunft des Teufelhofs, dem Ort, an dem alles begann. Aus seinen Erfahrungen hat er einen klaren Leitsatz abgeleitet: „Gastronomie ist etwas Bedingungsloses. Wer es nur halbherzig macht, wird scheitern.“