Die Gemeinde Birsfelden bei Basel hat eine neue Verkehrsregel eingeführt, um den Durchgangsverkehr zu reduzieren. Wer das Gemeindegebiet in weniger als 15 Minuten durchquert, erhält eine Busse von 100 Franken. Diese Massnahme generiert unerwartet hohe Einnahmen und stösst auf massive Kritik von Autofahrern und Verbänden.
Ursprünglich rechnete die Gemeinde mit etwa 15 Verstössen pro Tag. Tatsächlich werden jedoch täglich über 1000 Bussen ausgestellt, was zu Einnahmen von mehr als 100.000 Franken pro Tag führt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Regel: Eine Durchfahrt durch Birsfelden muss länger als 15 Minuten dauern, sonst wird eine Busse von 100 Franken fällig.
- Das Ziel: Die Gemeinde will den Ausweichverkehr von der Autobahn A2 eindämmen und die Lebensqualität der Anwohner verbessern.
- Die Realität: Statt 15 werden täglich über 1000 Verstösse registriert, was der Gemeinde potenziell über 36 Millionen Franken pro Jahr einbringen könnte.
- Die Kritik: Der Touring Club Schweiz (TCS) und betroffene Autofahrer kritisieren die mangelhafte Signalisation und die Härte der Massnahme.
Ein unerwarteter Geldsegen durch Verkehrskontrolle
Seit September 2025 ist in der 10.000-Einwohner-Gemeinde Birsfelden eine besondere Verkehrsregelung in Kraft. Kameras an sechs wichtigen Strassenzügen erfassen die Kennzeichen aller ein- und ausfahrenden Fahrzeuge. Ein System gleicht die Daten ab: Verlässt ein Fahrzeug das Gebiet in weniger als einer Viertelstunde, wird automatisch eine Busse von 100 Franken ausgestellt.
Die Verwaltung war von dieser Entwicklung völlig überrascht. Laut Berichten von 20min.ch hatte man mit maximal 15 Bussen pro Tag kalkuliert. Die Realität mit über 1000 täglichen Übertretungen übertrifft diese Schätzung um ein Vielfaches. Der administrative Aufwand ist enorm; laut SRF sind bereits drei Mitarbeiter ausschliesslich mit der Bearbeitung der Bussen beschäftigt.
Hintergrund der Massnahme
Birsfelden leidet stark unter dem Ausweichverkehr. Bei Stau auf der nahegelegenen Autobahn A2 nutzen viele Autofahrer die Quartierstrassen als Abkürzung. Dies führt zu erhöhtem Lärm, mehr Abgasen und gefährlichen Verkehrssituationen für die Anwohner. Mit der 15-Minuten-Regel will die Gemeinde diesen Schleichverkehr unterbinden und die Sicherheit in den Wohngebieten wiederherstellen.
Wer darf passieren und wer muss zahlen?
Die Regelung zielt ausschliesslich auf den reinen Durchgangsverkehr ab. Es gibt klar definierte Ausnahmen, um das tägliche Leben in der Gemeinde nicht zu beeinträchtigen.
Ausnahmen von der 15-Minuten-Regel
- Einwohner von Birsfelden
- Ansässige Unternehmen und deren Mitarbeiter während der Arbeit
- Öffentliche Verkehrsmittel
- Polizei, Feuerwehr und Sanität (Blaulichtfahrzeuge)
- Kunden und Besucher lokaler Geschäfte, sofern ihr Aufenthalt 15 Minuten überschreitet
Wer also in Birsfelden einkauft, einen Arzt besucht oder Freunde trifft und länger als 15 Minuten parkt, ist von der Regelung nicht betroffen. Die Kameras erfassen nur die Ein- und Ausfahrtszeit, nicht den Grund des Aufenthalts.
Finanzielle Dimension der Massnahme
Die Einnahmen übersteigen alle Erwartungen. Bei über 1000 Bussen zu je 100 Franken täglich ergibt sich eine Summe von mehr als 100.000 Franken pro Tag. Hochgerechnet auf ein ganzes Jahr könnte die Gemeinde über 36 Millionen Franken einnehmen. Zum Vergleich: Dies ist mehr als das Dreifache des gesamten Gemeindehaushalts.
Heftige Kritik von Automobilisten und Anwohnern
Die Massnahme ist äusserst umstritten. Der Touring Club Schweiz (TCS) hat bereits rechtliche Schritte angekündigt und kritisiert die Umsetzung scharf. Christophe Haller, Präsident des TCS, erklärte gegenüber dem SRF, dass die Signalisation unzureichend sei. Viele Mitglieder hätten sich gemeldet, die unwissentlich in die Falle getappt seien.
„Wir haben viele Mitglieder, die gebüsst wurden – teils in absurden Fällen. Ich verstehe das Anliegen, den Durchgangsverkehr zu reduzieren – aber das ist der falsche Weg.“
- Christophe Haller, TCS-Präsident
Besonders hart trifft es Grenzgänger und Pendler. Ein französischer Arbeitnehmer berichtete, er habe bereits fünf Bussen erhalten und fürchte um seinen Job, weshalb er keinen Einspruch wage. Die Angst vor weiteren Strafen ist gross.
Anwohner fühlen sich überwacht
Obwohl die Einwohner von Birsfelden von den Bussen ausgenommen sind, stösst die Regelung auch bei ihnen auf Ablehnung. Die ständige Überwachung durch Kameras an den Ortseingängen erzeugt Unbehagen. „Wir fühlen uns wie im Gefängnis“, äusserte sich eine Anwohnerin gegenüber der Zeitung Blick. Das Gefühl, dass jede Fahrt erfasst und kontrolliert wird, belastet viele Bürger.
Gemeinde verteidigt ihr Vorgehen
Trotz der massiven Kritik hält die Gemeindeverwaltung an der Regel fest. Gemeindepolitikerin Désirée Jaun betonte gegenüber Nau.ch, dass es der Gemeinde nicht um die Einnahmen gehe. Das primäre Ziel sei die Entlastung der Wohnquartiere und die Verbesserung der Lebensqualität.
„Wir wollen damit die Quartiere entlasten und nicht die Busseneinnahmen steigern“, so Jaun. Die Gemeinde argumentiert, dass der Erfolg der Massnahme – gemessen an der hohen Zahl der Verstösse – zeige, wie gross das Problem des Schleichverkehrs tatsächlich war. Die Zukunft der 15-Minuten-Regel bleibt ungewiss. Während die Gemeindekasse profitiert, wächst der politische und rechtliche Druck. Der Fall Birsfelden könnte zu einem Präzedenzfall für andere Schweizer Gemeinden werden, die mit ähnlichen Verkehrsproblemen kämpfen.