Basel-Stadt erlebt eine tiefgreifende Verschiebung der Eigentumsverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt. Eine aktuelle Untersuchung des Vereins «Stadt Für Alle» zeigt, dass private und institutionelle Investoren einen immer grösseren Anteil des Wohnraums kontrollieren. Dies führt zu steigender Wohnungsnot und Verdrängung der Bevölkerung.
Wichtige Erkenntnisse
- Private und institutionelle Investoren besitzen über 80 Prozent der Wohnungen im Matthäusquartier.
- Grossbanken und Versicherungen kontrollieren fast jede dritte Wohnung in Basel.
- Der Verein «Stadt Für Alle» macht die Eigentumsverhältnisse mit Daten und Postern sichtbar.
- Zwischen 2014 und 2024 kündigten UBS und Credit Suisse 61 Wohnungen allein im Matthäusquartier.
- Ein intransparentes Firmengeflecht erschwert die Übersicht über die tatsächlichen Eigentümer.
Wohnungsmarkt im Wandel: Von Privatbesitz zu Investorenkontrolle
Noch vor einigen Jahrzehnten gehörten Häuser in Basler Quartieren wie dem Matthäus oft Privatpersonen, darunter Chauffeure, Tapeziererinnen oder Krankenpfleger. Heute hat sich dieses Bild drastisch verändert. Eine Untersuchung des Vereins «Stadt Für Alle» offenbart, dass im Matthäusquartier bereits 81,4 Prozent aller Wohnungen im Besitz von privaten und institutionellen Investoren oder Stockwerkeigentümern sind.
Diese Entwicklung ist laut Vereinsmitglied Sabrina, einer Expertin für urbane Studien, «beunruhigend». Sie betont, dass viele dieser Firmen fast ausschliesslich auf Profitmaximierung ausgerichtet sind. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Mieterinnen und Mieter in der Stadt, da mehr als 80 Prozent der Basler Bevölkerung zur Miete leben.
Faktencheck Wohnungsmarkt Basel
- 81,4% der Wohnungen im Matthäusquartier gehören Investoren.
- Grossbanken und Versicherungen besitzen fast 33% aller Basler Wohnungen.
- Die Daten zeigen, dass 61 Wohnungen im Matthäusquartier zwischen 2014 und 2024 von UBS und Credit Suisse gekündigt wurden.
Transparenz als Kernziel: Der Verein «Stadt Für Alle»
Der Verein «Stadt Für Alle» setzt sich seit Jahren ehrenamtlich dafür ein, Licht in die komplexen Eigentumsverhältnisse der Stadt zu bringen. Sie sammeln systematisch Daten zu Parzellen und Liegenschaften, um die tatsächlichen Besitzer zu identifizieren.
Sabrina erklärt die Motivation des Vereins: «Der Kern unserer Arbeit ist es, Transparenz über die Eigentumsverhältnisse zu schaffen.» Die öffentlichen Eigentumsdaten in Basel-Stadt sind zwar zugänglich, jedoch mit Einschränkungen. Es können beispielsweise nur zehn Parzellen pro Tag abgefragt werden, was die Datenerfassung zu einer mühsamen Langzeitarbeit macht.
«Es ist beunruhigend, dass viele Firmen fast ausschliesslich auf Profitmaximierung ausgerichtet sind.» – Sabrina, Vereinsmitglied «Stadt Für Alle»
Die Schwierigkeit der Datensammlung
Die Aktivisten des Vereins verbringen täglich Stunden damit, die Daten zu sammeln. Sie speisen diese Informationen in eine eigene Datenbank ein, um übergreifende Trends sichtbar zu machen. Diese Arbeit ermöglicht es ihnen, Zusammenhänge aufzuzeigen, die sonst im Verborgenen blieben.
Ein Beispiel dafür sind die Massenkündigungen. Die gesammelten Daten belegen, dass Grossbanken wie UBS und Credit Suisse im Matthäusquartier zwischen 2014 und 2024 insgesamt 61 Wohnungen gekündigt haben. Diese Zahlen belegen, was viele Mieter bereits spüren: eine zunehmende Unsicherheit auf dem Wohnungsmarkt.
Hintergrund: Intransparente Firmengeflechte
Ein grosses Problem bei der Ermittlung der tatsächlichen Eigentümer sind intransparente Firmengeflechte. Im Jahr 2022 deckte der Verein auf, dass die Brüder Alexander und Thomas Götz über 30 verschiedene Aktiengesellschaften nutzten, um 602 Wohnungen in Basel zu besitzen, darunter jede zehnte Wohnung im Klybeck. Diese Verflechtung machte es zuvor unmöglich, das Ausmass ihres Besitzes zu erkennen.
Solche Strukturen erschweren die Nachvollziehbarkeit und verhindern oft, dass die Öffentlichkeit weiss, wer hinter grossen Immobilienportfolios steht.
Verdrängung und Wohnungsnot: Die Folgen der Investorenstrategien
Die zunehmende Dominanz institutioneller Investoren führt laut «Stadt Für Alle» zu einer steigenden Verdrängung und Wohnungsnot. Mieter müssen aus ihren Quartieren oder sogar aus der Stadt ziehen, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können.
Der Verein erstellt für jedes Basler Quartier grossformatige Poster, die die Eigentumsverhältnisse visualisieren. Poster für Matthäus, Klybeck, Kleinhüningen und Rosental sind bereits verteilt. Das Gundeli steht als Nächstes auf dem Programm. Diese Plakate werden direkt in die Briefkästen der Anwohner verteilt, um das Bewusstsein zu schärfen.
Ein Jahr Arbeit für ein Plakat
Die Erstellung eines solchen Plakats ist aufwendig und dauert fast ein Jahr. Das ehrenamtliche Team investiert viel Zeit in die Forschung. «Es gibt immer mehr institutionelle Investoren und immer weniger private Hauseigentümerinnen», fasst Sabrina die Entwicklung zusammen. Dies sei ein direkter Weg zu mehr Verdrängung und Wohnungsnot.
Die Strategien der Immobilienfirmen sind dynamisch. Während der Basler Wohnschutz als wirksam gilt, gibt es dennoch Schlupflöcher, beispielsweise bei der Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum. Der Verein widerspricht auch dem Argument, der Wohnschutz bremse den Neubau: «Wir können zeigen, dass seit dem Wohnschutz immer noch gleich viele Baugesuche eingereicht werden.»
Wissen ist Macht: Aufklärungsarbeit und Stadtrundgänge
Neben der Datensammlung organisiert «Stadt Für Alle» auch Stadtrundgänge, Informationsstände und Vorträge. Diese Veranstaltungen sollen den Bewohnern die Augen öffnen. «Da merken die Leute: Das passiert alles in meiner Stadt», sagt Sabrina.
Der Verein ist überzeugt, dass Wissen der Schlüssel zur Veränderung ist. «Wissen ist Macht, so plakativ das klingt», betont Sabrina. Wer mit Fakten und Zahlen argumentieren kann, wird ernster genommen. Trotz finanzieller Engpässe und einem Jahresbeitrag von nur 30 Franken für Mitglieder, setzt der Verein seine Arbeit fort. Das Thema Wohnraum sei schliesslich «nie unwichtig».
- Der Verein organisiert Stadtrundgänge und Informationsstände.
- Sie erstellen detaillierte Poster zu den Eigentumsverhältnissen in Basler Quartieren.
- Die Arbeit wird ehrenamtlich geleistet und aus Mitgliedsbeiträgen finanziert.





