Basel hat sich zu einem Zentrum für Fahrraddiebstähle in der Schweiz entwickelt. Eine aktuelle Recherche zeigt nun eine direkte Verbindung zwischen den Diebstählen und der lokalen Drogenszene auf. Suchtkranke sollen gezielt E-Bikes stehlen, um ihren Drogenkonsum zu finanzieren, während die gestohlenen Velos oft ins Ausland transportiert werden.
Die Kantonspolizei bestätigt, dass es sich um organisierte Strukturen handelt. Als Reaktion auf die zunehmende Professionalisierung der Diebe fordert die Politik nun konkrete Massnahmen und eine engere Zusammenarbeit mit den französischen Behörden, um der grenzüberschreitenden Kriminalität entgegenzuwirken.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine SRF-Recherche deckt auf, dass Suchtkranke in Basel E-Bikes für Drogen stehlen.
- Die Polizei spricht von organisierter Kriminalität und Hehlerware.
- Gestohlene Fahrräder werden oft über Frankreich nach Albanien, in den Balkan oder in die Maghreb-Staaten transportiert.
- Die Partei «Die Mitte» fordert ein Abkommen mit Frankreich zur einfacheren Rückführung gestohlener Velos.
Verbindung zwischen Diebstahl und Drogenhandel
Die hohe Zahl an Fahrraddiebstählen in Basel ist seit langem ein Problem. Eine Reportage der SRF-Sendung «Rundschau» hat nun eine besorgniserregende Dimension des Problems aufgedeckt. Die Journalisten verfolgten ein mit einem Peilsender ausgestattetes Velo, das nach seinem Diebstahl in einer Liegenschaft in Basel geortet wurde, die als Unterkunft für Suchtkranke bekannt ist.
Diese Beobachtung stützt die Aussagen von Betroffenen. Ein suchtkranker Mann erklärte gegenüber dem SRF, wie das System funktioniert. Demnach werden Drogenabhängige direkt auf der Strasse von Dealern angesprochen und beauftragt, hochwertige E-Bikes zu stehlen.
«Für ein gestohlenes E-Bike erhalten wir von den Dealern Waren im Wert von 100 bis 150 Franken. Das Geld sehen wir nie, die Bezahlung erfolgt direkt in Form von Kokain oder anderen Drogen.»
Diese Methode schafft eine direkte Verbindung zwischen Beschaffungskriminalität und dem organisierten Drogenhandel. Die Täter sind oft selbst in einer Notlage und werden von den Hintermännern ausgenutzt, um das Diebesgut zu beschaffen.
Polizei bestätigt organisierte Strukturen
Die Kantonspolizei Basel-Stadt beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Mediensprecher Stefan Schmitt bestätigte gegenüber dem SRF, dass die Behörden von organisierten Strukturen ausgehen. «Bei Velos, die zum Zweck des Wiederverkaufs gestohlen werden, handelt es sich um Hehlerware», so Schmitt. Dies gelte spätestens bei der zweiten Übergabe des Diebesguts.
Für die Endkunden ist oft nicht ersichtlich, dass sie ein gestohlenes Fahrrad erwerben. Die gestohlenen Velos werden professionell für den Weiterverkauf vorbereitet und über verschiedene Kanäle angeboten, was die Rückverfolgung erschwert.
Statistik zum Velodiebstahl
Die Dimension des Problems wird durch Zahlen verdeutlicht: Von den knapp 55’000 im Jahr 2024 in der Schweiz als gestohlen gemeldeten Fahrrädern stammte jeder neunte Fall aus der Region Basel. Dies macht die beiden Basel zu einer landesweiten Hochburg für Velodiebstähle.
Internationale Routen für gestohlene Velos
Die Recherchen zeigen auch, wohin die gestohlenen Fahrräder transportiert werden. Das von der «Rundschau» verfolgte Velo wurde schliesslich in Albanien aufgespürt. Dies ist jedoch nur eine von mehreren Routen, die von den kriminellen Netzwerken genutzt werden.
Eine grosse Anzahl der in Basel gestohlenen Zweiräder wird zunächst über die nahe Grenze nach Frankreich gebracht. Christian Plüss, Verbindungsbeamter zwischen der Schweiz und Frankreich bei der Kantonspolizei Basel-Landschaft, erklärt, dass die Velos oft für eine gewisse Zeit in grenznahen Städten wie Saint-Louis oder Mulhouse zwischengelagert werden.
Von dort aus erfolgt der Weitertransport in andere Länder. Die Hauptziele sind laut den Ermittlern die Maghreb-Staaten in Nordafrika sowie verschiedene Länder auf dem Balkan. Diese internationale Logistik unterstreicht den organisierten Charakter der Diebstähle.
Politik fordert grenzüberschreitende Lösungen
Angesichts der zunehmenden Professionalität der Täter und der grenzüberschreitenden Natur des Problems wird der Ruf nach politischen Massnahmen lauter. Die Partei «Die Mitte» hat angekündigt, gegen die «organisierte Velokriminalität» vorgehen zu wollen. In einer Medienmitteilung fordert die Partei eine verbindliche Vereinbarung mit den französischen Behörden.
Das Hauptziel dieser Vereinbarung soll es sein, die Sicherstellung und Rückführung von gestohlenen Fahrrädern zu vereinfachen. Konkret sollen folgende Punkte umgesetzt werden:
- Frühzeitige Meldung: Velos und E-Bikes, deren Standort mittels GPS-Tracker bekannt ist, sollen umgehend an die französischen Behörden gemeldet werden können.
- Unkomplizierte Übergabe: Die sichergestellten Fahrräder sollen ohne grossen bürokratischen Aufwand an die Schweizer Behörden übergeben werden.
- Rechtliche Grundlage schaffen: Die Vereinbarung soll der Schweizer Polizei die rechtliche Handhabe geben, auch grenzüberschreitend tätig zu werden.
Die Herausforderung der grenzüberschreitenden Strafverfolgung
Ein grosses Problem für die Basler Polizei ist die Geschwindigkeit, mit der die Täter agieren. Gestohlene Velos werden oft innerhalb weniger Stunden über die Grenze nach Frankreich oder Deutschland gebracht. Sobald das Diebesgut im Ausland ist, sind den Schweizer Ermittlern weitgehend die Hände gebunden. Ein internationales Rechtshilfeersuchen für einen Fahrraddiebstahl ist in der Praxis oft zu aufwendig und langwierig.
Die politische Forderung zielt darauf ab, diese Lücke in der Strafverfolgung zu schliessen. Eine schnelle und unbürokratische Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden im Dreiländereck wird als entscheidender Faktor angesehen, um den kriminellen Netzwerken das Handwerk zu legen und den Velodiebstahl in der Region Basel wirksam zu bekämpfen.