Ein ehemaliger Zirkusdirektor muss sich vor dem Strafgericht Baselland in Muttenz verantworten. Ihm wird vorgeworfen, während der COVID-19-Pandemie einen staatlich garantierten Kredit in Höhe von 250'000 Franken durch falsche Angaben erschlichen zu haben. Die Anklage umfasst Betrug, Urkundenfälschung und weitere Delikte.
Wichtige Punkte
- Ein 72-jähriger ehemaliger Zirkusdirektor steht wegen Betrugs vor Gericht.
- Er soll einen COVID-Kredit von 250'000 Franken mit falschen Umsatzangaben erhalten haben.
- Der angegebene Jahresumsatz war fünfmal höher als die tatsächlichen Einnahmen.
- Ein zweiter Kreditantrag unter falschem Firmennamen scheiterte.
- Die Staatsanwaltschaft fordert eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten.
Falsche Angaben für staatliche Unterstützung
Der Beschuldigte, ein 72-jähriger Mann, soll im Jahr 2020 einen Antrag für einen COVID-19-Kredit gestellt haben. Dieser Kredit war Teil eines staatlichen Hilfsprogramms, das Unternehmen in der Pandemie schnell und unbürokratisch unterstützen sollte. Für das Geschäftsjahr 2019 gab er einen Umsatz von 2'500'000 Franken an. Diese Zahl diente als Grundlage für die Kreditberechnung durch die Banken.
Tatsächlich betrug der Jahresumsatz seines Zirkus im Jahr 2019 jedoch nur rund 490'000 Franken. Dies entspricht etwa einem Fünftel des angegebenen Betrags. Basierend auf den falschen Angaben erhielt der Zirkusdirektor einen Kredit von 250'000 Franken. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, durch diese Täuschung den Kredit erschlichen zu haben.
Faktencheck: COVID-Kredite
- Die Schweizer Regierung führte 2020 das COVID-19-Kreditprogramm ein.
- Kredite bis 500'000 Franken waren zu 100% vom Bund garantiert.
- Die Zinsen betrugen 0% für die ersten fünf Jahre.
- Ziel war es, Liquiditätsengpässe von Unternehmen schnell zu überbrücken.
Vom Zirkusleben zum Gerichtssaal
Der Angeklagte verbrachte den Grossteil seines Lebens in der Zirkusmanege. Seit seinem zweiten Lebensjahr war er Teil des Zirkusgeschäfts, das er in vierter Generation führte. Vor rund vierzig Jahren beschäftigte sein Zirkus über 50 Mitarbeitende und besass 150 Tiere, darunter Wasserbüffel, Panther und Tiger. Heute lebt der Mann von einer bescheidenen Rente in einem Wohnwagen.
Sein amtlicher Verteidiger schilderte vor dem Dreiergericht in Muttenz das Bild eines Mannes, der mit dem Niedergang des Zirkuswesens überfordert war. Das Metier habe kontinuierlich an Ansehen verloren, was den Zirkusdirektor stark belastete. Er habe alles versucht, um das Familiengeschäft nicht aufgeben zu müssen.
«Er war krass überfordert mit all dem, was er gemacht hat: Standplätze organisieren, Bewilligungen einholen, Werbung machen, Artistinnen und Artisten engagieren und so weiter», sagte der Verteidiger.
Hintergrund: Zirkus in der Schweiz
Das Zirkuswesen hat in der Schweiz eine lange Tradition. Viele Familienbetriebe kämpfen jedoch seit Jahren mit sinkenden Zuschauerzahlen und steigenden Kosten. Die COVID-19-Pandemie verschärfte diese Situation durch Auftrittsverbote und Reisebeschränkungen zusätzlich, was viele Zirkusse an den Rand der Existenz brachte.
Die Rolle des Buchhalters und die eigene Verantwortung
Während der Befragung durch Gerichtspräsident Robert Karrer räumte der Zirkusdirektor Fehler ein. Er sagte: «Ich übernehme die Verantwortung dafür.» Gleichzeitig versuchte er, einen Teil der Schuld auf seinen damaligen Buchhalter zu schieben. Er gab an, die Rechnung für das Geschäftsjahr 2019 sei zum Zeitpunkt des Kreditantrags noch nicht abgeschlossen gewesen.
Sein Buchhalter habe ihm die Zahlen genannt, die er im Formular eintragen sollte. Er sei «baff» gewesen, als die Bank den Kredit wenige Tage später bewilligte. Der Angeklagte argumentierte, die Bank hätte seine Kontobewegungen prüfen können, um seine tatsächliche finanzielle Lage zu erkennen.
Auf die Frage des Gerichtspräsidenten, ob er es sich als Geschäftsführer nicht zu einfach mache, die Schuld dem Buchhalter zuzuweisen, reagierte der Beschuldigte gereizt. Er betonte, sein Hauptaugenmerk liege auf dem Zirkusbetrieb, nicht auf der Buchhaltung: «Das Einzige, was ich mache, ist Zirkus. Beim Rechnen war ich nie gut.»
Zweiter Kreditantrag und weitere Vorwürfe
Dem ehemaligen Zirkusdirektor wird auch vorgeworfen, einen zweiten Kreditantrag bei einer anderen Bank gestellt zu haben. Diesen Antrag soll er unter dem Namen eines fiktiven Unternehmens eingereicht haben, das ein Projekt seines Zirkus darstellte. Dieser zweite Antrag wurde jedoch von der Bank abgelehnt, da das angebliche Unternehmen kein Konto bei ihr führte.
Der Beschuldigte äusserte sich zu diesem Vorwurf knapper: «Da müssen wir nicht diskutieren, ich habe einen Riesenfehler gemacht.» Er verstehe jedoch nicht, warum er sich in diesem Fall strafbar gemacht haben soll, da die Bank den Kredit letztlich nicht bewilligt habe.
Weitere Anklagepunkte umfassen die Beschäftigung eines Marokkaners ohne gültige Arbeitsbewilligung und die Nichtzahlung von Suisa-Gebühren für urheberrechtlich geschützte Musik, die im Zirkus gespielt wurde. Zudem wird ihm ein Verkehrsunfall aus dem Jahr 2022 zur Last gelegt.
Zahlen und Fakten zur Anklage
- Erschlichener Kredit: 250'000 CHF
- Tatsächlicher Umsatz 2019: ca. 490'000 CHF
- Angegebener Umsatz 2019: 2'500'000 CHF
- Differenz: ca. 2'010'000 CHF
- Strafmass Staatsanwaltschaft: 20 Monate bedingte Freiheitsstrafe, 120 Tagessätze zu 30 CHF bedingt, 200 CHF Busse.
Forderungen der Staatsanwaltschaft und Verteidigung
Die Staatsanwaltschaft beantragt für den 72-Jährigen eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten. Zusätzlich fordert sie eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 Franken, jeweils mit einer Probezeit von drei Jahren. Der Beschuldigte soll zudem die Verfahrenskosten tragen und eine Busse von 200 Franken zahlen. Die Staatsanwaltschaft berücksichtigte bei der Strafzumessung, dass der Kredit nicht zur persönlichen Bereicherung, sondern zur Tilgung von Unternehmensschulden verwendet wurde.
Die Verteidigung plädiert ebenfalls für eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten, jedoch mit einer kürzeren Probezeit von zwei Jahren. Eine Busse von 200 Franken wird ebenfalls akzeptiert. Das Urteil in diesem Fall wird in der kommenden Woche erwartet.