Eine erfahrene Psychologin aus Basel, Angelika Siegfried, spricht offen über ihre eigene Burnout-Erfahrung. Sie litt jahrelang an Erschöpfung, Schlafstörungen und depressiven Phasen. Nun plant sie die Gründung einer Selbsthilfegruppe, um anderen Menschen in sozialen Berufen zu helfen, die ähnliche Schwierigkeiten erleben.
Wichtige Erkenntnisse
- Angelika Siegfried, eine Basler Psychologin, erlebte selbst ein Burnout mit Erschöpfungsdepression.
- Sie empfand grosse Scham, als Fachperson psychische Probleme zu haben und Hilfe zu suchen.
- Nach einem Klinikaufenthalt kehrte sie an den Arbeitsplatz zurück, musste aber feststellen, dass sie Klienten nicht helfen konnte.
- Fünf Jahre später gründet sie eine Selbsthilfegruppe für Menschen aus sozialen Berufen.
- Ziel ist es, das Tabu zu brechen und einen Raum für Austausch und Unterstützung zu schaffen.
Der lange Weg zum Eingeständnis
Angelika Siegfried arbeitete über viele Jahre erfolgreich in einer grossen Institution in Basel im Bereich der Sozialpsychiatrie. Ihre Arbeit liebte sie. Doch schleichend verschlechterte sich ihr Zustand. Sie litt unter massiver Erschöpfung und Schlafstörungen, die sie zunächst dem Älterwerden zuschrieb.
Mitte 50, mitten in der Menopause, versuchte sie verschiedene Kurse und alternative Therapien. Doch die Symptome wurden schlimmer. Depressive Phasen und Angstzustände kamen hinzu. Lange Zeit hielt sie ihren Zustand geheim.
«Wenn man aus einem helfenden Job stammt, ist es eine grosse Überwindung, selbst Hilfe zu suchen. Man fühlt sich völlig inkompetent, da man ja eigentlich wissen müsste, was zu tun ist.»
Dieser innere Konflikt erschwerte die Situation zusätzlich. Der Druck am Arbeitsplatz war ebenfalls hoch. In sozialen Berufen ist eine längere Arbeitsunfähigkeit oft nicht vorgesehen, was den Kollegen zusätzliche Belastung aufbürdet. Auch wirtschaftlicher Druck und Personalmangel trugen zur Überlastung bei.
Faktencheck Burnout
- Burnout ist keine eigenständige Diagnose, sondern ein Syndrom, das oft als Erschöpfungsdepression beschrieben wird.
- Typische Symptome sind tiefe Erschöpfung, Zynismus und verminderte Leistungsfähigkeit.
- Soziale Berufe wie Pflege, Lehre und Sozialarbeit sind besonders betroffen.
Der Moment der Erkenntnis und die Suche nach Hilfe
Der Wendepunkt kam in einer eigentlich idyllischen Umgebung. In einer wunderschönen Berglandschaft im Schnee, die sie normalerweise liebte, konnte Angelika Siegfried nichts mehr empfinden. Das war für sie als Fachfrau ein klares Zeichen: Es war eine Erschöpfungsdepression, umgangssprachlich Burnout genannt.
Kleine Alltagsbeispiele zeigten ihr, wie weit die Erschöpfung fortgeschritten war. Früher bastelte sie gerne Weihnachtsdekoration. Später stellte sie nur noch Kerzen auf. Im Januar bemerkte sie, dass sie diese nicht einmal ausgepackt hatte.
Klinikaufenthalt ohne schnelle Lösung
Ein Klinikaufenthalt sollte Besserung bringen, doch die erhoffte schnelle Lösung blieb aus. Die Ratschläge, die sie dort erhielt, wie zum Beispiel Qi Gong, konnte sie mit ihrer psychotherapeutischen Ausbildung nicht annehmen. Sie fühlte sich gekränkt, da sie sich an einem anderen Punkt wähnte als viele Laien.
Nach mehreren Monaten kehrte sie an ihren Arbeitsplatz zurück. Doch die Arbeit mit Klienten wurde zur Qual. «Ich sass den Klientinnen und Klienten gegenüber und fand: Im Grunde geht es mir genauso schlecht wie ihnen. Wie sollte ich überhaupt jemandem eine Hilfe sein, wenn ich mir nicht mal selbst helfen konnte?», erinnert sie sich. Nach wenigen Wochen gab sie auf.
Hintergrund: Zentrum Selbsthilfe Basel
Das Zentrum Selbsthilfe in Basel ist die kantonale Fachstelle für Selbsthilfe in der Region. Es bietet umfangreiche Unterstützung an, darunter Informationen, Vermittlung in bestehende Selbsthilfegruppen, Begleitung bei Neugründungen und Beratung für bestehende Gruppen. Auch geleitete Gruppen für Menschen in herausfordernden Lebenssituationen gehören zum Angebot.
Der Kampf gegen die Scham und die neue Initiative
Scham wurde zu einem ständigen Begleiter für Angelika Siegfried. Sie mied lange Zeit die Stadt Basel, wo sie viele Menschen kannte. Die Angst vor Fragen nach ihrem Befinden und ihrer Tätigkeit lähmte sie. Anders als bei einem Manager mit Burnout werde bei einer Therapeutin oft auch die fachliche Kompetenz infrage gestellt.
Fünf Jahre nach ihrem Tiefpunkt will Angelika Siegfried ihre Freiheit zurückerobern. Offen über ihr Burnout zu sprechen, ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. «Es hat lange gedauert, bis ich mich mit der Scham auseinandergesetzt habe. Aber wenn ich wieder in der Stadt Tee trinken möchte, muss ich das überwinden.»
Gründung einer Selbsthilfegruppe
Aus ihren persönlichen Erfahrungen heraus plant Angelika Siegfried nun die Gründung einer Selbsthilfegruppe am Zentrum Selbsthilfe in Basel. Diese Gruppe richtet sich explizit an Menschen in sozialen Berufen.
- Lehrpersonen
- Pflegerinnen und Pfleger
- Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter
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Sie erhofft sich einen regen Austausch unter den Teilnehmenden, die sich möglicherweise in verschiedenen Stadien eines Burnouts befinden. Das Ziel ist es, voneinander zu lernen und gemeinsam Wege zu finden, um Selbstbewusstsein zurückzugewinnen und mit den Herausforderungen umzugehen.
Angelika Siegfried weiss, dass sie noch nicht am Ziel ist. Doch sie betont: «Ich habe nichts Böses getan. Ich habe mein Bestes gegeben und bin über meine Grenzen gegangen. Dafür muss ich mich nicht schämen.» Ihr Mut, offen über ihre Erfahrungen zu sprechen, könnte vielen anderen Betroffenen den Weg ebnen, ebenfalls Hilfe zu suchen und das Schweigen zu brechen.





