Das Schweizer Gesundheitswesen steht an einem Wendepunkt. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass sowohl Personalmangel als auch strukturelle Veränderungen die Branche vor neue Herausforderungen stellen. Von der Digitalisierung bis zur Neuorganisation der Spitalversorgung – Anpassungen sind notwendig, um die Qualität und Effizienz langfristig zu sichern.
Wichtige Punkte
- Der Hausarztmangel verschärft sich durch das Ausscheiden der Babyboomer-Generation.
- Digitalisierung im Spitalbereich wird als strategisches Handlungsfeld betrachtet, um Prozesse zu optimieren.
- Neue Gesundheitszentren sollen den Ärztemangel in ländlichen Regionen, wie im Wallis, kompensieren.
- Das System EFAS könnte die Machtverhältnisse im Gesundheitswesen neu ordnen und Hausärzte stärken.
- Klinik- und Spitalleitungen erleben häufige Wechsel, was auf eine dynamische Branche hindeutet.
Herausforderungen im Personalbereich
Der Mangel an qualifiziertem Personal ist eine der grössten Sorgen im Schweizer Gesundheitswesen. Besonders der Hausarztberuf leidet unter einem akuten Mangel. Viele Ärzte der Babyboomer-Generation gehen in den Ruhestand. Gleichzeitig gibt es nicht genügend Nachwuchs. Dies führt zu einer immer grösseren Lücke in der medizinischen Versorgung.
Die Bürokratie im Alltag der Ärzte erschwert die Situation zusätzlich. Viele Haus- und Kinderärzte sehen sich mit einem hohen administrativen Aufwand konfrontiert. Dies nimmt wertvolle Zeit für die Patientenversorgung in Anspruch. Ohne eine Reduzierung dieser Belastung wird es schwierig, junge Mediziner für den Beruf zu begeistern.
Fakten zum Personalmangel
- Hausarztmangel: Ein nationales Problem, das sich regional unterschiedlich auswirkt.
- Bürokratie: Hoher administrativer Aufwand belastet praktizierende Ärzte.
- Nachwuchsmangel: Nicht genügend junge Ärzte rücken nach, um die Lücke zu schliessen.
Spezialisiertes Personal gesucht
Nicht nur Hausärzte fehlen. Auch in spezialisierten Bereichen gibt es Engpässe. Aktuell werden Fachkräfte in der Operationstechnik, Experten für Infektionsprävention und Spitalhygiene sowie Physiotherapeuten gesucht. Diese Spezialisten sind entscheidend für die Qualität der Patientenversorgung in Spitälern und Kliniken.
Die Hirslanden AG sucht beispielsweise Diplomierte Fachfrauen und Fachmänner für Operationstechnik sowie Fachexperten für Infektionsprävention. Zurzach Care benötigt Physiotherapeuten mit Schwerpunkt auf muskuloskelettale Erkrankungen. Dies zeigt den breiten Bedarf an qualifiziertem Personal quer durch alle medizinischen Bereiche.
Strukturelle Veränderungen und Digitalisierung
Die Digitalisierung spielt eine immer wichtigere Rolle im Gesundheitswesen. Viele Spitäler sehen darin ein strategisches Handlungsfeld. Ziel ist es, Leistungen effizienter und wirkungsvoller zu gestalten. Die Lindenhofgruppe in Bern hat das Thema Digitalisierung fest in ihrer Strategie verankert. Sie will damit die Qualität der Versorgung und die Zusammenarbeit verbessern.
Digitale Lösungen können helfen, Prozesse zu optimieren, Patientendaten besser zu verwalten und die Kommunikation zwischen verschiedenen Akteuren zu erleichtern. Dies ist ein wichtiger Schritt, um den steigenden Anforderungen an das Gesundheitssystem gerecht zu werden.
«Digitalisierung ist ein wesentlicher Faktor, um Leistungen effizienter und wirkungsvoller zu gestalten. Auch im Spitalbereich.»
Hintergrund: Die Lindenhofgruppe
Die Lindenhofgruppe ist ein bedeutender Akteur im Schweizer Gesundheitswesen. Sie setzt sich aktiv für die Integration digitaler Technologien ein, um die Patientenversorgung zu verbessern. Prof. Dr. med. Christoph Albers hat kürzlich die Orthopädie am Sonnenhof verstärkt, mit Schwerpunkten in Wirbelsäulen-Chirurgie und spezialisierter Traumatologie.
Neue Konzepte gegen Ärztemangel
Um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, entstehen neue Versorgungsmodelle. Im Wallis plant die Praxisgruppe Maison Médicale ein grosses Gesundheitszentrum. Dieses soll Allgemeinmediziner, Spezialisten, Psychiater und Therapeuten unter einem Dach vereinen. Solche integrierten Zentren könnten eine Lösung für die Versorgung in ländlichen Regionen bieten.
Auch das Apothekenkonzept wird überdacht. Galenica testet neue Ansätze, um die Rolle der Apotheken im Gesundheitssystem zu stärken. Dies könnte die Grundversorgung entlasten und den Zugang zu medizinischer Beratung erleichtern.
Entwicklungen in den Spitälern
Spitäler passen sich ebenfalls an. Das HFR erhöht beispielsweise die Bettenzahl für ältere Patienten, um auf den demografischen Wandel zu reagieren. Dies ist Teil eines sogenannten «Winter-Dispositivs», das auf saisonale Schwankungen und den erhöhten Bedarf an Pflegeplätzen abzielt.
Nicht alle Entwicklungen sind positiv. Das GZO Spital Wetzikon schliesst seine Kinderarztpraxis Ende Februar 2026. Als Gründe werden die hohe Dichte an Kinderarztpraxen in der Region und wirtschaftliche Aspekte genannt. Solche Entscheidungen zeigen den Druck, unter dem Spitäler stehen.
Das System EFAS und seine Auswirkungen
Eine tiefgreifende Veränderung könnte das System EFAS (Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen) mit sich bringen. Experten wie Felix Huber und Guido Klaus weisen darauf hin, dass durch die neue Kostenverteilung die Hausärzte an Einfluss gewinnen könnten. Spitäler müssten sich neu positionieren.
EFAS zielt darauf ab, die Finanzierung von Gesundheitsleistungen zu vereinfachen und Anreize für eine effizientere Versorgung zu schaffen. Diese Reform könnte die Machtverhältnisse im Gesundheitswesen grundlegend verschieben. Viele Akteure nehmen die Tragweite dieser Veränderung jedoch noch nicht vollständig wahr.
Mögliche Folgen von EFAS
- Stärkung der Hausärzte: Mehr Einfluss durch neue Kostenverteilung.
- Neupositionierung der Spitäler: Anpassung an veränderte Finanzierungsstrukturen.
- Effizienzsteigerung: Anreize für eine wirtschaftlichere Leistungserbringung.
Wechsel in Führungspositionen
Das Schweizer Gesundheitswesen ist auch durch häufige Wechsel an der Spitze von Kliniken und Spitälern gekennzeichnet. Oliver Grossen verlässt überraschend das GZF. Evelyne Wirz Eberle wird 2026 nach über fünf Jahren an der Spitze der Hochgebirgsklinik Davos in den Ruhestand treten. Jochen Steinbrenner, der ehemalige Direktor der Spitäler Grabs und Altstätten, ist der neue CEO des Landesspitals Liechtenstein.
Diese Personalwechsel zeigen die Dynamik und die Herausforderungen, mit denen Führungskräfte in diesem Sektor konfrontiert sind. Strategische Neuausrichtungen und die Bewältigung von Krisen erfordern oft neue Köpfe an der Spitze.
Regionale Solidarität und Investitionen
Trotz aller Herausforderungen gibt es auch positive Signale. Das Spital Männedorf erhält einmal mehr eine solide Absicherung durch eine Volksabstimmung. Die Region steht mit grossem Mehr hinter ihrem örtlichen Spital. Dies unterstreicht die Bedeutung lokaler Spitäler für die Bevölkerung und die Bereitschaft, diese zu unterstützen.
Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur bleiben entscheidend. Die Prüfung eines Teilrückzugs von Swiss Medical Network durch Aevis Victoria könnte die Unabhängigkeit der Gesundheits-Tochter stärken. Solche strategischen Überlegungen sind wichtig, um die Zukunftsfähigkeit des Schweizer Gesundheitswesens zu sichern.





