Die Arbeit von Zootierärzten erfordert spezialisiertes Wissen und schnelles Handeln. Im Zoo Basel nutzen Veterinäre modernste Bildgebung, um bei über 11.000 Tieren in 602 Arten präzise Diagnosen zu stellen. Von winzigen Kolibris bis zu grossen Geparden – jedes Tier stellt eine einzigartige Herausforderung dar, besonders wenn es um Röntgenuntersuchungen geht.
Wichtige Erkenntnisse
- Der Basler Zoo beherbergt 11.393 Tiere aus 602 Arten.
- Röntgenbilder ermöglichen sofortige Diagnosen im Gegensatz zu Laborergebnissen.
- Präventive Medizin macht zwei Drittel der tierärztlichen Arbeit aus.
- Die Tierpfleger spielen eine zentrale Rolle bei der Früherkennung von Krankheiten.
- Spezielle Techniken sind für das Röntgen kleiner und grosser Tiere erforderlich.
Die Herausforderung der Zootiermedizin
Dr. Christian Wenker, der leitende Veterinär im Zoo Basel, betont die Bedeutung schneller Ergebnisse in der Zootiermedizin. «Dank dem bildgebenden Verfahren haben wir in der Zootiermedizin ein rasches Resultat», erklärt er. Bei Blut- und Kotuntersuchungen müsse oft bis zum nächsten Tag gewartet werden. Diese Verzögerung kann bei kranken Tieren kritisch sein.
Tiere verbergen Unwohlsein instinktiv. In der Natur werden schwache Tiere schnell zur Beute. Daher zeigen Zootiere Symptome oft erst, wenn ein Problem bereits gravierend ist. Schnelles Handeln ist dann entscheidend.
Wussten Sie schon?
Im Zoo Basel werden durchschnittlich ein bis zwei Narkosen pro Woche für tiermedizinische Eingriffe durchgeführt, zu denen auch Röntgenuntersuchungen gehören.
Prävention statt Heilung
Christian Wenker ist seit 22 Jahren Zootierarzt in Basel. Er kennt seine Schützlinge genau und kann ihr Verhalten richtig einschätzen. Nicht immer ist sofortiges Eingreifen nötig. «Hinkt ein Zebra, warten wir ab, denn meist ist die Gehschwäche nach einer Woche wieder in Ordnung», sagt Wenker. Die Situation bei Vögeln ist anders. Ein aufgeplusterter Vogel, der den Kopf in die Federn steckt, erfordert sofortige Massnahmen.
Das dreiköpfige Tierärzteteam im Zoo Basel setzt stark auf präventive Medizin. «Wir betreiben präventive Medizin», erklärt Christian Wenker. Er fügt hinzu: «Zwei Drittel unserer Arbeit ist Vorbeugen statt Heilen, zum Beispiel mittels Impfen oder Parasitenkontrolle.» Röntgenuntersuchungen erfolgen nur bei eindeutiger Krankheit.
Hintergrund: Die Rolle der Tierpfleger
Die Tierpfleger sind die ersten, die Veränderungen im Verhalten der Tiere bemerken. Ihre täglichen Beobachtungen sind entscheidend. Details werden in abendlichen Tagesrapporten festgehalten, die Dr. Wenker täglich liest. Auffälligkeiten melden die Pfleger sofort dem Tierarzt. Dies ermöglicht eine rasche Reaktion.
Röntgen bei kleinen und grossen Patienten
Ein Beispiel für schnelles Handeln war der Fall einer Rostbauchamazilie aus dem Vogelhaus. Der Kolibri sass apathisch da – ein Warnzeichen für das normalerweise sehr aktive Tier. Kolibris müssen ihren Stoffwechsel durch häufige Nahrungsaufnahme aufrechterhalten. Jede Sekunde zählte.
Für das Röntgen kleiner Vögel wie Kolibris sind spezielle Vorkehrungen nötig. Christian Wenker zeigt ein kleines, mit Stoff umgebenes Kästchen. Darin wurde die Rostbauchamazilie geröntgt. «So kleine Vögel können kaum sediert werden. Er hat sich beim Röntgen aber ruhig verhalten», berichtet Wenker. Das Röntgenbild zeigte Legenot, ein im Eileiter steckengebliebenes Ei. Dies ist lebensgefährlich für einen Vogel.
«Bringt man es nicht mehr heraus, muss es mit einer Nadel angestochen und ausgesaugt werden. Die in sich zusammenfallende Eischale wird dann vorsichtig aus der sich entspannenden Kloake gezogen.»
Das feststeckende Ei wurde mit Paraffinöl gelöst und vorsichtig herausmassiert. Ohne Röntgen wäre die Diagnose und damit die Rettung des Vogels schwierig gewesen.
Von Bartgeiern und Bleivergiftungen
Im Kontrast zum Kolibri ist der Bartgeier ein riesiger Patient. Dr. Wenker zeigt ein Röntgenbild eines Bartgeiers aus der Natur. Diese Art wird dank Zooprogrammen erfolgreich wieder angesiedelt. Das Röntgenbild offenbarte Bleischrot im Muskelmagen des Geiers. Der Vogel hatte es über einen Kadaver aufgenommen. Der saure Magen-pH-Wert löst das Blei auf, was zu neurologischen Symptomen wie hängenden Flügeln führt.
Christian Wenker entfernte die Bleikugeln durch Abführmittel und Chelatbildner, die das toxische Blei im Blut binden. Der Geier genas und konnte wieder ausgewildert werden. Dies zeigt die Bedeutung der Bildgebung auch für Wildtiere, die in der Obhut des Zoos behandelt werden.
Ungewöhnliche Patienten: Fische und Reptilien
Röntgen hilft nicht nur bei Land- und Lufttieren, sondern auch bei Meereslebewesen. Ein Igelfisch schwamm plötzlich konstant asymmetrisch. Christian Wenker entschied sich für ein Röntgen, was bei Fischen selten ist. Der Tierpfleger brachte den Fisch in einem kleinen Wasserbehälter. Ausserhalb des Wassers verbrachte der Tropenfisch nur wenige Sekunden.
Im Gegensatz zu Säugetieren und den meisten Vögeln werden Fische während des Röntgens nicht narkotisiert. «Je nach Art halten sie erstaunlich gut still», sagt der Tierarzt. Das Röntgenbild zeigte, dass sich viele Steinchen im Magen des Igelfisches angesammelt hatten. Ihr Gewicht führte zur Schräglage. Nach der Entfernung mittels Magenspiegelung und Fasszange schwamm der Fisch wieder normal.
Schildkröten und Leguane
Schildkröten sind einfacher auf dem Röntgentisch zu fixieren als Fische. «Wir setzen sie auf eine Platte», erklärt Christian Wenker. Das Röntgenbild ist oft schon gemacht, bevor die Schildkröte den Kopf aus dem Panzer strecken kann. Auch bei Reptilien, wie bei Vögeln, kommt Legenot vor und kann per Röntgen festgestellt werden.
Für Echsen wie Leguane, die von der Röntgenplatte krabbeln könnten, gibt es einen Trick. «Wir drücken kurz sanft und gleichzeitig auf die Augäpfel, dies führt über einen Vagusreflex zu einem betäubungsähnlichen Zustand», erklärt der Zootierarzt. Dies ermöglicht eine ruhige Untersuchung.
Grosse Tiere und mobile Geräte
Ein Gepard wurde mittels Betäubungsgewehr im Gehege narkotisiert. Ein Röntgenbild zeigte eine gebrochene Mittelhand. Die Genesung dauerte länger. «Damit der Bruch gut zusammenwuchs, entfernten wir in seinem Krankenbereich jede Erhöhung, so dass er nicht mehr hinunterspringen konnte», erzählt der Tierarzt. Auch ein Riesenkänguru mit einem Oberarmbruch wurde erfolgreich behandelt, nachdem das Röntgenbild die Diagnose sicherte.
Weitere exotische Patienten umfassten einen Weisskopfsaki, bei dem eine Fehllage des Jungtieres per Röntgen festgestellt wurde. Mutter und Junges konnten per Kaiserschnitt gerettet werden. Auch bei einem Kirk-Dikdik, einer kleinen Antilope, half das Röntgenbild bei der Diagnose einer Fehllage des Jungen.
Der Transport eines Rüsselspringers, der nur mausgross ist, in die Tierklinik ist unkompliziert. Doch was, wenn ein Elefant Probleme hat? «Wir haben auch ein mobiles Röntgengerät», sagt Christian Wenker. Bei Grosstieren werden nur Teile geröntgt, zum Beispiel Stosszähne oder Füsse von Elefanten. In speziellen Fällen arbeitet der Zoo Basel auch mit Human- oder Zahnmedizinern zusammen. Das Röntgenbild bildet oft die Basis für eine erfolgreiche Diagnose und Therapie.
Die Entdeckung der Röntgenstrahlen
Die Grundlage dieser modernen Tiermedizin legte Wilhelm Conrad Röntgen am 8. November 1895 in Würzburg. Er entdeckte die unsichtbaren Strahlen, die später nach ihm benannt wurden. Röntgenstrahlen durchdringen den Körper und erzeugen Bilder, auf denen Anomalien sichtbar werden. Für seine Entdeckung erhielt Wilhelm Conrad Röntgen 1901 den Nobelpreis für Physik. Diese Technologie revolutionierte die Medizin, auch die Tiermedizin, und ermöglicht bis heute präzise Einblicke in den Körper von Lebewesen.





