Die Schweiz, ein wichtiger Importeur kubanischer Zigarren, steht im Zentrum eines schwerwiegenden Vorwurfs: Eine Menschenrechtsorganisation behauptet, Zehntausende Gefangene auf Kuba würden zur Produktion von Zigarren für den Export gezwungen. Dies könnte bedeuten, dass auch in Schweizer Humidoren Produkte aus Zwangsarbeit lagern. Internationale Organisationen wie die UNO und Amnesty International sehen ebenfalls Hinweise auf diese Praxis.
Wichtige Punkte
- Vorwurf der Zwangsarbeit: Zehntausende Gefangene in Kuba sollen Zigarren für den Export unter Zwang herstellen.
- Schweiz als Hauptimporteur: Die Schweiz ist der drittwichtigste Importmarkt für kubanische Zigarren.
- Betroffene Marken: Weltbekannte Marken wie Cohiba und Montecristo könnten betroffen sein.
- Schweizer Unternehmen involviert: Das Unternehmen Villiger und die Intertabak AG spielen eine zentrale Rolle im Import.
- Internationale Bedenken: UNO und Amnesty International äussern ebenfalls Hinweise auf Zwangsarbeit.
Zwangsarbeit in Kubas Tabakindustrie
Die Menschenrechtsorganisation Prisoners Defenders hat einen detaillierten Bericht veröffentlicht. Darin wird Kuba vorgeworfen, Zehntausende Gefangene zur Arbeit in der Tabakindustrie zu zwingen. Es wird geschätzt, dass etwa zwei Drittel der 90.000 Häftlinge im Land von dieser Praxis betroffen sind. Diese Gefangenen sollen Zigarren herstellen, die für den Export bestimmt sind. Dazu gehören möglicherweise auch international bekannte Marken wie Cohiba und Montecristo.
Die Vorwürfe haben weitreichende Implikationen für den globalen Zigarrenmarkt. Insbesondere Länder, die grosse Mengen kubanischer Zigarren importieren, geraten in den Fokus. Die Schweiz ist hierbei ein zentraler Akteur.
Fakten zur Zwangsarbeit
- Geschätzte Zahl der Betroffenen: Rund 60.000 Häftlinge in Kuba.
- Anteil der Gefangenen: Etwa 66% der gesamten Häftlingspopulation.
- Produkte: Tabakwaren (Zigarren), aber auch Holzkohle.
- Arbeitsbedingungen: Oft ohne Lohn oder für symbolische Beträge, unter Drohungen.
Die Rolle der Schweiz im Zigarrenhandel
Die Schweiz nimmt im internationalen Handel mit kubanischen Zigarren eine bedeutende Position ein. Sie gilt als drittwichtigster Importmarkt weltweit. Diese Tatsache macht die Vorwürfe besonders brisant für Schweizer Unternehmen und Konsumenten. Branchenkenner halten es für „extrem wahrscheinlich“, dass Zigarren aus Zwangsarbeit auch in Schweizer Humidoren zu finden sind. Dies berichtete die «NZZ am Sonntag» kürzlich.
Die enge Verflechtung der Schweiz mit dem kubanischen Tabaksektor bedeutet, dass die hiesige Wirtschaft direkt von den Entwicklungen in Kuba betroffen ist. Die Diskussion um ethische Beschaffungspraktiken gewinnt dadurch an Bedeutung.
"Der Handel mit einem Produkt der Sklaverei kann heute von den europäischen Behörden sofort verboten werden."
Schweizer Unternehmen im Fokus
Ein zentrales Unternehmen in den Schweizer Kuba-Verbindungen ist die traditionsreiche Familienfirma Villiger. Das Unternehmen kooperiert seit den 1980er-Jahren eng mit dem kubanischen Staat. Über die Intertabak AG in Pratteln werden kubanische Zigarren exklusiv in die Schweiz, nach Deutschland, Österreich und Polen importiert. Heinrich Villiger war Mitbegründer der Intertabak AG.
Die Intertabak AG ist zu 50 Prozent im Besitz des kubanischen Staates. Ein Viertel gehört Villiger selbst, das restliche Viertel einer Genfer Familie. Die Firma erzielt regelmässig Millionengewinne. Zu den aktuellen Vorwürfen äussert sich das Unternehmen jedoch nicht.
Hintergrund zur Intertabak AG
Die Intertabak AG ist der exklusive Importeur kubanischer Zigarren für mehrere europäische Märkte. Ihre Eigentümerstruktur, mit einem 50-prozentigen Anteil des kubanischen Staates, zeigt die tiefen Verbindungen zum kubanischen Tabakmonopol. Diese Struktur kann die Transparenz bei der Lieferkette erschweren.
Laut Fidel Stöhlker, dem langjährigen PR-Berater von Heinrich Villiger, zeigte sich dieser in der Vergangenheit nie besonders kritisch gegenüber den politischen oder sozialen Zuständen in Kuba. Er soll niedrige Löhne eher als "Problem der Kubaner" betrachtet haben. Diese Haltung steht im Kontrast zu den aktuellen Menschenrechtsbedenken.
Internationale Reaktionen und Forderungen
Die UNO und Amnesty International haben bereits auf die Situation in Kuba hingewiesen. Beide Organisationen sprechen von deutlichen Hinweisen auf Zwangsarbeit in kubanischen Gefängnissen. Diese internationalen Stimmen verleihen den Vorwürfen zusätzliches Gewicht.
Im Juni dieses Jahres erklärte die kubanische Regierungsvertretung bei einer UNO-Debatte in New York, dass im Land die Standard-Mindestregeln der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen eingehalten würden. Dies umfasse die Achtung der Menschenwürde sowie den Zugang zu Bildung, Arbeit und Kultur. Diese Aussage steht im Widerspruch zu den Berichten der Menschenrechtsorganisationen.
Prisoners Defenders fordert die Europäische Union zum Handeln auf. Die Organisation betont, dass der Handel mit Produkten aus Zwangsarbeit von den europäischen Behörden sofort verboten werden könnte. Dies würde einen erheblichen Druck auf die kubanische Regierung und die beteiligten Importeure ausüben.
Auswirkungen auf die Tabakbranche
Die Enthüllungen treffen die Schweizer Tabakbranche in einer Zeit des Wandels. Weltweit führen strengere Regulierungen und der Trend zur E-Zigarette zu Veränderungen im Markt. Die Vorwürfe der Zwangsarbeit erschüttern zusätzlich das Image eines traditionsreichen Luxusprodukts. Dies könnte langfristige Auswirkungen auf die Nachfrage und die Reputation haben.
Gleichzeitig erhöhen neue chinesische Investoren im kubanischen Tabaksektor den Druck auf bestehende Importstrukturen wie Intertabak. Chinesische Unternehmen sind zunehmend an globalen Märkten interessiert und könnten die bestehenden Lieferketten beeinflussen. Offiziell bestreiten die Schweizer Firmen, von den Missständen gewusst zu haben. Sie warten auf eine Stellungnahme ihrer kubanischen Partner. Der Verdacht, dass auch Zigarren in Schweizer Humidoren aus Zwangsarbeit stammen könnten, bleibt jedoch bestehen.
Nicht nur Tabak betroffen: Holzkohleproduktion
Die Vorwürfe der Zwangsarbeit beschränken sich offenbar nicht nur auf die Tabakindustrie. Gemäss einer Meldung der Nachrichtenagentur DPA von Mitte September müssen Gefangene in Kuba unter unmenschlichen Bedingungen auch andere Produkte herstellen. Dazu gehört beispielsweise Holzkohle, die ebenfalls nach Europa exportiert wird. Diese Praxis wird von Menschenrechtsaktivisten als "integraler Bestandteil der kubanischen Gefängniswirtschaft" bezeichnet.
Die Produktionsbedingungen für Holzkohle sind oft extrem hart. Häftlinge arbeiten unter schlechten hygienischen Bedingungen und ohne angemessene Schutzkleidung. Die Vergütung ist minimal oder nicht vorhanden. Dies wirft weitere Fragen zur Herkunft von Produkten aus Kuba auf, die auf europäischen Märkten verkauft werden.
Prekäre Arbeitsbedingungen in Kuba
Prisoners Defenders prangert systematische Menschenrechtsverletzungen in Kuba an. Der Bericht beschreibt, wie Häftlinge ihre Arbeit ohne Lohn oder gegen eine symbolische Bezahlung verrichten müssen. Diese Arbeitsbedingungen werden oft durch Drohungen erzwungen. Die Gefangenen haben kaum Rechte und wenig Schutz. Die Organisation betont, dass diese Praktiken gegen internationale Arbeitsnormen verstossen.
Die Europäische Union wird aufgefordert, Massnahmen zu ergreifen. Ein Verbot des Handels mit Produkten, die unter solchen Bedingungen hergestellt wurden, könnte ein starkes Signal senden. Dies würde die kubanische Regierung unter Druck setzen, ihre Praktiken zu ändern und die Menschenrechte der Gefangenen zu respektieren. Die Diskussion um ethische Lieferketten und die Verantwortung von Unternehmen wird durch diese Vorwürfe verstärkt.