In Basel kämpfen viele vorläufig aufgenommene Geflüchtete um eine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Eine Geschichte sticht dabei besonders hervor: Ali Khaled, ein 56-jähriger Syrer, der elf Jahre lang von der Sozialhilfe lebte, schöpft nun neue Hoffnung durch ein einzigartiges Beschäftigungsprogramm in einem kleinen Imbiss. Seine Geschichte beleuchtet die Herausforderungen und bürokratischen Hürden, denen sich viele in ähnlicher Lage gegenübersehen.
Wichtigste Punkte
- Ali Khaled, ein vorläufig aufgenommener Flüchtling, lebt seit elf Jahren in Basel.
- Trotz grosser Motivation konnte er lange keine feste Anstellung finden.
- Ein Beschäftigungsprogramm im Basler Qiosk gibt ihm neue Lebensfreude und Perspektiven.
- Sprachbarrieren und das Alter stellen grosse Integrationshürden dar.
- Ein innovatives Projekt mit einem Glace-Velo soll Ali zu einem Arbeitsvertrag verhelfen.
Ein Jahrzehnt im Wartestand
Seit elf Jahren lebt Ali Khaled in Basel. Er kam mit seiner Frau und seinem Sohn aus Syrien in die Schweiz. Die Familie floh vor dem Krieg in ihrer Heimat, wo sie als Kurden im Norden Syriens unter Druck gerieten. Seitdem haben sie den Status «vorläufig aufgenommen». Dieses Attribut klingt provisorisch, doch die Realität ist für Ali eine dauerhafte Unsicherheit.
Elf Jahre ohne festen Job, ohne einmal in die Ferien zu fahren – das ist Alis traurige Bilanz. Der Frust über die fehlende Integration und die Schwierigkeiten beim Deutschlernen zehrten an ihm. Eine Zeit lang suchte er Trost im Alkohol. Seine Frau trennte sich deswegen von ihm, doch die Familie bleibt ein Team. Sie unterstützen ihn, wo sie können.
Faktencheck
Rund 42'000 vorläufig aufgenommene Menschen leben derzeit in der Schweiz. Die Mehrheit von ihnen ist seit über sieben Jahren hier und bezieht Sozialhilfe. Dies zeigt, wie schwierig die Integration in den Arbeitsmarkt sein kann.
Der Qiosk: Eine Oase am Klybeckplatz
Am Basler Klybeckplatz, einem Quartier, das als eines der ärmsten der Stadt gilt, befindet sich der Imbiss «Qiosk». Hier hat Ali Khaled im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms der Sozialhilfe eine Aufgabe gefunden. Seit dem Frühling ist er dort aktiv und praktisch mit dem Ort verwachsen.
Er kocht zwar nicht, kümmert sich aber um die Logistik und unterhält die Gäste. Schon von weitem hört man sein ansteckendes Lachen. Er räumt Stühle, scherzt und fragt unermüdlich, ob die Gäste noch etwas trinken möchten. Für Ali ist der Qiosk zu einem Ort der Lebensfreude geworden.
"Ich arbeite gern", sagt Ali beherzt. Seine Motivation ist spürbar, er ruft seine Chefin Alima Diouf manchmal schon frühmorgens an, um sie zum Arbeiten aufzufordern.
Alima Diouf: Eine ungewöhnliche Helferin
Alima Diouf, die Betreiberin des Qiosk, ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Als gebürtige Senegalesin und SVP-Mitglied setzt sie sich für Migranten ein. Sie gründete den Verein «Migranten helfen Migranten», weil sie davon überzeugt ist, dass Ausländer andere Ausländer besser verstehen als Schweizer.
Ihre pragmatische Art und ihr Verständnis für Alis Situation sind entscheidend. Sie sieht in ihm nicht nur einen Sozialhilfeempfänger, sondern einen motivierten Menschen. Ihre Unterstützung geht weit über das Übliche hinaus. Sie ist für Ali zu einer Art Familie geworden, wie er selbst sagt: «Sie ist wie eine Schwester. Familia.»
Hürden auf dem Weg zur Festanstellung
Trotz seines Engagements im Qiosk hat Ali keinen Arbeitsvertrag und erhält keinen Lohn. Seine Tätigkeit ist Teil eines Beschäftigungsprogramms der Sozialhilfe. Die Hürden für eine feste Anstellung sind für ihn hoch. Sein Alter von 56 Jahren wird oft als Ablehnungsgrund genannt.
Auch seine Ex-Frau Zakia Mousa Sheik, eine gelernte Schneiderin, die in Syrien ein eigenes Geschäft führte, findet keinen festen Job. Sie näht heute Fasnachtskostüme für das Rote Kreuz und erhält dafür nur wenige hundert Franken, die ihr von der Sozialhilfe abgezogen werden. Beide haben zahlreiche Bewerbungen verschickt, oft ohne konkrete Begründung für die Absagen.
Hintergrund: Integrationsagenda Schweiz
Die Politik hat das Problem erkannt. 2019 lancierten Bund, Kantone und Gemeinden die Integrationsagenda Schweiz. Ziel ist es, Geflüchtete und vorläufig Aufgenommene rascher in die Arbeitswelt und Gesellschaft zu integrieren. Seitdem brauchen diese Personen keine Bewilligung mehr, um zu arbeiten; eine einfache Meldung genügt. Dies führte zu einem stetigen Rückgang der Sozialhilfequote bei Personen mit langjährigem Aufenthalt.
Sprache als grösste Barriere
Eine der grössten Hürden für Ali und Zakia ist die Sprache. Beide gehören in Syrien zur Arbeiterschicht und sind Analphabeten. Eine Fremdsprache zu lernen, wenn man in der eigenen Sprache nicht schreiben kann, ist äusserst schwierig. Obwohl es in Basel-Stadt genügend Deutschkurse gibt, auch spezifische Angebote für Analphabeten, fehlt oft die Übung ausserhalb der Kurse.
Zakia Mousa Sheik spricht fast nur Kurdisch mit ihren Freundinnen und zu Hause. Ihr 19-jähriger Sohn Ramadan, der hervorragend Deutsch spricht und eine Lehre bei Coop macht, übersetzt oft für seine Eltern. Er gehört zu einer jüngeren Generation, die in der Schweiz aufgewachsen ist und sich leichter integriert.
- Sprachbarriere: Analphabetismus erschwert das Erlernen einer neuen Sprache erheblich.
- Alltagssprache: Viele Geflüchtete sprechen im Alltag weiterhin ihre Muttersprache, was die Deutschkenntnisse nicht fördert.
- Verwirrung bei Kindern: Schulen rieten Eltern teilweise ab, zu Hause Deutsch zu sprechen, um falsche Sprachmuster zu vermeiden.
Der Teufelskreis der Bewilligungen
Ohne festen Job haben Ali und Zakia keine Chance, ihre F-Bewilligung in eine B-Bewilligung umzuwandeln. Und ohne B-Bewilligung zögern Arbeitgeber, sie einzustellen. Das Staatssekretariat für Migration bestätigt, dass Arbeitgeber Personen mit einer vorläufigen Aufnahme oft zurückhaltend einstellen, da sie davon ausgehen, dass diese die Schweiz wieder verlassen müssen.
Für Ali ist dieser Zustand unerträglich. Alima Diouf weiss: "Wir müssen für Ali eine Arbeit finden. Sonst wird er krank." Die Arbeit im Qiosk reicht finanziell nicht aus, um ihn fest anzustellen.
Ein Glace-Velo als neue Chance
Alima Diouf hat eine innovative Idee: Sie möchte Ali ein Eisfahrrad kaufen. Damit soll er im Sommer Glace und im Winter Sandwiches im Kleinbasel verkaufen. Dieses Projekt stösst jedoch auf bürokratische Hürden, da viele Standplätze in Basel bereits belegt sind.
Dennoch gibt Alima nicht auf. Sie hat mit der Sozialhilfe ein Pensum von 10 bis 30 Prozent vereinbart, um Kapital aufzubauen und Alis Pensum schrittweise zu erhöhen. Das Projekt startet mit einer Spende von 2000 Franken. Weitere Spenden werden gesucht. Ali freut sich bereits darauf, bald mit seinem Glace-Velo durch Basel zu radeln und endlich eine echte Perspektive zu haben.





