In Basel-Stadt wird intensiv über die Prävention von Steuerschulden diskutiert. Ein zentraler Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei (SP) sieht vor, Steuern direkt vom Lohn abzuziehen. Dieser Ansatz trifft jedoch auf Widerstand bei bürgerlichen Parteien und sogar bei Finanzdirektorin Tanja Soland von der SP, die aus ihrer früheren Tätigkeit als Anwältin Einblicke in die Prioritäten bei der Schuldentilgung gibt.
Wichtige Punkte
- Die SP schlägt einen direkten Steuerabzug vom Lohn vor, um Verschuldung zu verhindern.
- Bürgerliche Parteien lehnen den Vorschlag als bürokratisch und ineffektiv ab.
- Finanzdirektorin Tanja Soland (SP) argumentiert gegen den Direktabzug ihrer eigenen Partei.
- Fast 5% der Erwerbstätigen in Basel-Stadt sind von Steuerschulden betroffen.
- Die Debatte im Grossen Rat wird fortgesetzt, da keine Einigung erzielt wurde.
Hintergrund der Debatte: Hohe Steuerschulden in Basel
Das Thema Steuerschulden beschäftigt den Grossen Rat von Basel-Stadt. Aktuell ist fast jeder zwanzigste Erwerbstätige im Kanton, das sind rund 5 Prozent der arbeitenden Bevölkerung, von Betreibungen wegen nicht bezahlter Steuern betroffen. Diese Situation führt zu weitreichenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen.
Pascal Pfister, Grossrat der SP und Leiter des Dachverbandes Schuldenberatung Schweiz, betont die ernsten Folgen von Überschuldung. Er hat in seiner beruflichen Praxis viele Betroffene beraten.
«Überschuldete Personen werden krank, fliegen aus dem Arbeitsmarkt und landen in der beruflichen und sozialen Desintegration.»
Diese Aussage unterstreicht die Dringlichkeit, präventive Massnahmen zu finden, um solche Entwicklungen zu vermeiden.
Faktencheck: Steuerschulden in Basel-Stadt
- Anteil Betroffener: Fast 5% der Erwerbstätigen in Basel-Stadt sind von Steuerschulden betroffen.
- Ursachen: Oft sind es Niedriglöhner, die mit der Steuerlast zu kämpfen haben.
- Folgen: Überschuldung kann zu gesundheitlichen Problemen und sozialer Ausgrenzung führen.
Der SP-Vorschlag: Direkter Lohnabzug als Prävention
Die SP hat eine Initiative lanciert, die einen direkten Abzug der Steuern vom Lohn vorsieht. Dieses Modell soll die Entstehung von Steuerschulden von vornherein verhindern. Der Vorschlag richtet sich an alle Lohnempfänger, die in Basel wohnen und in einem Basler Betrieb arbeiten.
Das Prinzip wäre ein Opt-out-System: Der Abzug würde standardmässig erfolgen, es sei denn, die betroffene Person widerspricht ausdrücklich. Die SP sieht darin ein wirksames Instrument zur Schuldenprävention. Es soll sicherstellen, dass die Menschen nur über jenes Geld verfügen, das ihnen nach Abzug der Steuern tatsächlich zusteht.
Widerstand von bürgerlicher Seite
Der Vorschlag stösst bei den bürgerlichen Parteien auf deutlichen Widerstand. Sie sehen darin nicht nur eine zusätzliche bürokratische Belastung für Unternehmen, sondern bezweifeln auch die Wirksamkeit des Ansatzes. FDP-Grossrat Luca Urgese bezeichnet den Direktabzug als «Luftschloss».
«Versetzen Sie sich in die Lage einer Person, die nur knapp über die Runden kommt. Sie stehen vor der Wahl, entweder den Wocheneinkauf, das Handy-Abo, die Miete oder die Steuern zu bezahlen. Natürlich werden Sie sich immer gegen die Steuerrechnung entscheiden.»
Urgese argumentiert, dass Menschen mit geringem Einkommen andere Gläubiger prioritär behandeln würden, da die Konsequenzen von Betreibungen durch den Kanton als weniger gravierend wahrgenommen werden.
Finanzdirektorin Tanja Soland gegen ihre eigene Partei
Überraschenderweise erhält Luca Urgese in diesem Punkt Unterstützung von einer Sozialdemokratin: Regierungsrätin Tanja Soland, die Finanzdirektorin von Basel-Stadt. Sie muss in dieser Angelegenheit gegen die Linie ihrer eigenen Partei argumentieren, da die Basler Regierung den Direktabzug seit Jahren ablehnt.
Soland gab während der Debatte einen Einblick in ihre frühere Tätigkeit als Anwältin für verschuldete Personen. Ihre damalige Beratungspraxis gibt Aufschluss über die Prioritäten bei der Schuldentilgung.
«Bezahlt zuerst die Miete, dann die IWB, dann die Krankenkasse.»
Was Soland dabei unausgesprochen liess, aber impliziert, ist: Die Steuern kommen erst danach. Sie erklärte, dass die Konsequenzen von Betreibungen durch den Kanton zwar unangenehm seien, der Kanton jedoch im Gegensatz zu anderen Gläubigern keine lebensnotwendigen Leistungen einstelle.
Prioritäten bei Schulden
Aus Sicht vieler Schuldner und auch von Finanzexpertin Tanja Soland haben bestimmte Rechnungen Vorrang, um existenzielle Probleme zu vermeiden:
- Miete: Verlust der Wohnung.
- Energie (IWB): Strom- und Wasserabschaltung.
- Krankenkasse: Ausfall der Gesundheitsversorgung.
- Steuern: Betreibungen, aber ohne direkten Verlust von Grundversorgungen.
Diese Reihenfolge zeigt, warum Steuerschulden oft als die «angenehmeren» Schulden gelten, obwohl sie ebenfalls schwerwiegende Folgen haben können.
Widersprüchliche Ansichten zur Wirksamkeit
Die Debatte dreht sich auch um die Frage, was Menschen mit dem Geld tun würden, das ihnen nach einem direkten Lohnabzug verbliebe. Würden sie sich anderweitig verschulden oder würde der Abzug tatsächlich zur Schuldenprävention beitragen?
Urgese befürchtet, dass sich die Situation für Schuldner sogar verschlimmern könnte. Er argumentiert, dass andere Gläubiger oft unangenehmer seien als der Kanton. Würde weniger Geld für Steuern abgezogen, könnte dies bedeuten, dass mehr Geld für andere, potenziell risikoreichere Schulden zur Verfügung stünde.
Pascal Pfister hält dem entgegen: «Es geht darum, dass die Leute nur das Geld auf dem Konto haben, über das sie auch verfügen können. Das ist Schuldenprävention.» Für ihn ist der Kern des Problems, dass Menschen Geld ausgeben, das sie eigentlich für ihre Steuern zurücklegen müssten.
Alternativvorschläge und fehlende Einigung
Der Bericht der Wirtschafts- und Abgabekommission (WAK) zeigt, dass vor allem Niedriglöhner von Steuerschulden betroffen sind. Die Kommission war bei der Beratung der SP-Initiative gespalten. Die bürgerliche Mehrheit der WAK lehnt den direkten Lohnabzug ab.
Stattdessen schlägt die WAK alternative Massnahmen vor, die Steuerschulden «niederschwellig» bekämpfen sollen:
- Aufforderung an Personen mit Steuerschulden zu monatlichen Teilzahlungen.
- Unaufgeforderter Versand einer provisorischen Rechnung an Haushalte mit dem Aufruf, den Betrag bereits im laufenden Steuerjahr zu bezahlen.
Diese Vorschläge wurden jedoch von Plusminus, der Budget- und Schuldenberatungsstelle Basel, als ineffizient eingestuft. Studien würden zeigen, dass «alle bisher eingeführte Massnahmen wie die provisorische Steuerrechnung oder die Möglichkeit der monatlichen Ratenzahlungen nicht helfen». Es brauche ein neues Instrument.
FDP-Grossrat Urgese wiederum bezeichnet die Ausführungen von Plusminus als «politisches Positionspapier» und nicht als objektive Auseinandersetzung mit dem Thema. Dies zeigt die tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten in der Frage.
Die Debatte im Grossen Rat konnte an diesem Mittwoch nicht abgeschlossen werden. Die grosse Anzahl von Rednern auf linker Seite führte dazu, dass die Diskussion an der nächsten Grossratssitzung in einer Woche fortgesetzt werden muss. Eine schnelle Lösung für das Problem der Steuerschulden in Basel-Stadt zeichnet sich somit nicht ab.
Die Entscheidung über den direkten Lohnabzug und die vorgeschlagenen Alternativen wird weitreichende Auswirkungen auf die Finanzverwaltung des Kantons und die finanzielle Situation vieler Basler Haushalte haben.