Ein bekannter Basler Uhrenhändler wurde wegen Freiheitsberaubung und mehrfacher sexueller Nötigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Das Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt erging, obwohl das mutmassliche Opfer einige private Strafanträge zurückzog. Der Fall beleuchtet die komplexe Dynamik einer zerbrochenen Beziehung und die Herausforderungen im Gerichtssaal.
Wichtige Erkenntnisse
- Ein 82-jähriger Uhrenhändler wurde in Basel verurteilt.
- Die Verurteilung erfolgte wegen Freiheitsberaubung und mehrfacher sexueller Nötigung.
- Das Gericht sprach eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten aus.
- Das Opfer zog während der Verhandlung private Strafanträge zurück.
- Der Verurteilte muss die Gerichtskosten tragen.
Gerichtsverhandlung und die Rolle des Opfers
Die Verhandlung vor dem Strafgericht Basel-Stadt am Mittwoch, den 17. September 2025, war von emotionalen Momenten geprägt. Staatsanwältin Sandra Aenishänslin äusserte Bedenken bezüglich des Drucks, der auf die Privatklägerin Brigitte W.* ausgeübt wurde. Dies geschah, als Gerichtspräsidentin Sarah Cruz Wenger W. fragte, ob sie ihre Strafanträge aufrechterhalten wolle.
Brigitte W., die ohne rechtlichen Beistand erschien, schien die Tragweite der Frage zunächst nicht zu erfassen. Mit belegter Stimme fragte sie: „Was bedeutet das?“ Die Gerichtspräsidentin erläuterte den Unterschied zwischen Offizialdelikten, die von Amts wegen verfolgt werden, und Privatklagen, die vom Opfer selbst gestellt werden. Bei einem Rückzug der Privatklagen hätte dies zur Folge, dass der Beschuldigte Ubaldo S.* nur noch wegen Freiheitsberaubung und sexueller Nötigung belangt werden könnte.
Staatsanwältin Sandra Aenishänslin betonte im Gericht: «Es irritiert mich, da wird Druck ausgeübt auf Frau W.»
Wichtige Fakten
- Datum der Veröffentlichung: 17. September 2025
- Alter des Beschuldigten: 82 Jahre
- Verurteilte Delikte: Freiheitsberaubung, mehrfache sexuelle Nötigung
- Strafe: 18 Monate bedingte Freiheitsstrafe
- Freispruch: Versuch der sexuellen Nötigung
Rückzug der Strafanträge
Nach einigem Zögern zog Brigitte W. ihre privaten Strafanträge zurück. Diese Anträge umfassten ursprünglich sexuelle Belästigung, Tätlichkeiten und Drohungen. Obwohl sie in früheren Einvernahmen stets an diesen festgehalten hatte, schien sie nun mit der Angelegenheit abschliessen zu wollen. Die Situation wurde dadurch erschwert, dass der Beschuldigte Ubaldo S. direkt hinter ihr im Gerichtssaal sass.
Die Entscheidung von Frau W., die Anträge zurückzuziehen, war ein zentraler Punkt der Verhandlung. Dies hatte direkte Auswirkungen auf den Umfang der Anklagepunkte, die das Gericht prüfen konnte. Trotz des Rückzugs der Privatklagen berücksichtigte das Gericht die Umstände, unter denen die sexuellen Handlungen stattfanden.
Der Vorfall und die Beziehung
Im Zentrum des Prozesses stand ein Vorfall vom Januar 2024. Dieser war das traurige Ende einer etwa einjährigen romantischen Beziehung zwischen Brigitte W. und Ubaldo S. Nach der Trennung wollte S. die Entscheidung von W. nicht akzeptieren. Die Beziehung, so die Darstellung, entwickelte eine unheilvolle Dynamik.
Ubaldo S., ein in Basel bekannter Uhrenhändler, blieb nach der Trennung Patient in Brigitte W.'s Massagepraxis. Auch nach dem verhandelten Vorfall suchte W. ihn noch einmal in seinem Geschäft auf. Sie erklärte ihr Verhalten damit, dass sie möglicherweise eine Entschuldigung von ihm erwartete.
Hintergrund der Beziehung
Die Beziehung zwischen Brigitte W. und Ubaldo S. dauerte rund ein Jahr. Nach der Trennung akzeptierte S. das Ende nicht. Dies führte zu einer Reihe von Vorfällen, die schliesslich zur Gerichtsverhandlung führten. Die Verstrickung des Opfers mit dem Beschuldigten auch nach den Taten war ein wiederkehrendes Thema.
Freiheitsberaubung unbestritten
Der Kern des Vorfalls war in den Grundzügen unbestritten. Ubaldo S. hatte sich in den Einvernahmen geständig gezeigt. An dem besagten Abend lauerte er vor W.'s Wohnung. Als sie ihm die Tür öffnete, um ihn wegzuschicken, verschaffte er sich gewaltsam Zutritt. Er schloss die Tür und nahm die Schlüssel an sich. Dies erfüllte den Tatbestand der Freiheitsberaubung.
S. war eifersüchtig und wütend. Er unterstellte seiner Ex-Freundin sexuelle Kontakte zu anderen Männern. Die Staatsanwaltschaft legte dar, dass er sie mehrfach bedroht und auch geschlagen haben soll. Diese Anklagen fielen jedoch durch den Rückzug der Privatklagen weg.
Sexuelle Nötigung und weitere Details
Die Staatsanwaltschaft warf Ubaldo S. vor, Brigitte W. sexuell genötigt zu haben. Er soll ihr an die Genitalien gegriffen und kurz mit den Fingern in sie eingedrungen sein. In früheren Einvernahmen hatte S. dies gestanden. Vor Gericht gab er jedoch an, sich nicht mehr erinnern zu können und bezweifelte, dass es so geschehen sei.
Ein weiterer Punkt der Anklage betraf den Versuch der sexuellen Nötigung. Ursprünglich lautete der Vorwurf «versuchte Vergewaltigung». Während der Verhandlung stellte sich jedoch heraus, dass S. seit Jahrzehnten eine eingeschränkte Sexualfunktion hat. Sein Glied ist nicht zur Penetration fähig. Daher änderte die Staatsanwaltschaft die Anklage.
Reizunterwäsche und Drohungen
Unbestritten war, dass Brigitte W. auf Drängen von S. Reizunterwäsche anzog. Die Staatsanwaltschaft führte aus, dass dies unter Drohungen und Gewalt geschah. S. soll ihr gedroht haben, sie aus dem Fenster zu werfen. S. und seine Verteidigerin gaben an, er habe lediglich einen «Befehlston» verwendet. Die Drohung sei nur eine Frage gewesen.
Ein alarmierter Freund der Frau klingelte schliesslich, was weitere Handlungen verhinderte. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass S. eine sexuelle Nötigung geplant hatte. Brigitte W. hatte sich in den Einvernahmen ebenfalls so geäussert. Im Prozess relativierte sie dies jedoch und sagte, sie könne S.'s Absicht nicht beurteilen.
Zentrale Aussage des Beschuldigten
Ubaldo S. sagte vor Gericht: «Ich liebe sie, das ist eine Entschuldigung.» Er weigerte sich, sich direkt für sein Verhalten zu entschuldigen.
Das Urteil des Gerichts
Das Gericht schenkte den Behauptungen von Ubaldo S. keinen Glauben. S. erschien im eleganten Nadelstreifenanzug und versuchte, sich als Opfer darzustellen. Er bezeichnete W. als sprunghaft, an Borderline leidend und narzisstisch. Aufgrund seines schlechten Gehörs musste die Dolmetscherin häufig lautstark wiederholen.
Gerichtspräsidentin Sarah Cruz Wenger erklärte bei der Urteilsverkündung, dass die Aussagen von Brigitte W. in sich schlüssig und glaubwürdig waren. Das Gericht sah die Geschehnisse, wie in der Anklageschrift festgehalten, im Wesentlichen als erwiesen an. Die Dreierkammer sah es als erwiesen an, dass die sexuellen Handlungen nur unter massivem Druck und Drohungen zustande gekommen waren, auch wenn die Privatklagen zurückgezogen wurden.
Strafmass und Kosten
Ubaldo S. wurde wegen Freiheitsberaubung und mehrfacher sexueller Nötigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Er muss zudem die Gerichtskosten übernehmen. Einzig vom Vorwurf der versuchten sexuellen Nötigung sprach ihn das Gericht frei. Es befand, dass der «point of no return» noch nicht überschritten worden war.
Das Urteil ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht rechtskräftig. Es wird spekuliert, dass eine härtere Strafe möglich gewesen wäre, hätte Brigitte W. ihre ursprünglichen Anklagen nicht zurückgezogen.
* Namen der Redaktion bekannt.