Die Gemeinde Allschwil im Kanton Basel-Landschaft hat eine bedeutende Änderung ihrer Bau- und Zonenordnung beschlossen. Künftig müssen bei Neubauten weniger Parkplätze für Autos zur Verfügung gestellt werden. Diese Massnahme soll den Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel fördern und den öffentlichen Raum entlasten.
Die Entscheidung des Einwohnerrats fiel nach einer intensiven Debatte und zielt darauf ab, die Verkehrsbelastung zu senken und die Lebensqualität in der wachsenden Gemeinde zu verbessern. Die neuen Vorschriften gelten sowohl für Wohn- als auch für Gewerbebauten.
Das Wichtigste in Kürze
- Reduzierte Pflicht: Die Anzahl der gesetzlich vorgeschriebenen Parkplätze pro Wohneinheit und Gewerbefläche in Allschwil wird gesenkt.
- Förderung von Alternativen: Die Massnahme soll Anreize schaffen, vermehrt den öffentlichen Verkehr, das Velo oder Carsharing-Angebote zu nutzen.
- Flexibilität durch Mobilitätskonzepte: Bauherren können die Parkplatzanzahl weiter reduzieren, wenn sie ein überzeugendes Mobilitätskonzept vorlegen.
- Inkrafttreten: Die neue Regelung tritt nach der Genehmigung durch den Kanton und Ablauf der Referendumsfrist in Kraft.
Die Details der neuen Parkplatzverordnung
Die Anpassung der Bau- und Zonenordnung (BZO) in Allschwil ist ein direkter Schritt zur Umsetzung der kommunalen Verkehrsstrategie. Bisher galt eine starre Regel, die eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen pro Wohnung oder pro Quadratmeter Gewerbefläche vorschrieb. Diese Regelung wird nun flexibler gestaltet.
Weniger Parkplätze für Wohnungen
Für neue Wohnbauten wird der sogenannte Parkplatzschlüssel deutlich gesenkt. Statt wie bisher durchschnittlich 1.2 bis 1.5 Parkplätze pro Wohnung zu fordern, liegt der neue Richtwert bei 0.8 Parkplätzen pro Wohneinheit. Dies bedeutet, dass bei einem Neubau mit 10 Wohnungen nur noch 8 statt wie bisher 12 bis 15 Parkplätze zwingend erforderlich sind.
Diese Reduktion soll den Realitäten des heutigen Mobilitätsverhaltens Rechnung tragen. Immer mehr Haushalte, insbesondere in gut erschlossenen Gebieten, besitzen kein eigenes Auto mehr oder nutzen es seltener.
Hintergrund der Entscheidung
Die Gemeinde Allschwil ist in den letzten Jahren stark gewachsen und verzeichnet eine hohe Baudynamik. Gleichzeitig stösst die Verkehrsinfrastruktur an ihre Grenzen. Die neue Parkplatzpolitik ist Teil eines umfassenderen Plans, der auch den Ausbau von Velowegen und die Verbesserung der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr umfasst.
Anreize durch Mobilitätskonzepte
Ein zentraler Punkt der neuen Verordnung ist die Möglichkeit für Bauherren, die Anzahl der Parkplätze noch weiter zu senken. Dies ist möglich, wenn sie ein umfassendes Mobilitätskonzept vorlegen und umsetzen. Solche Konzepte können verschiedene Elemente beinhalten:
- Bereitstellung von Carsharing-Fahrzeugen direkt am Gebäude.
- Eine hohe Anzahl an qualitativ hochwertigen und sicheren Veloabstellplätzen.
- Ladestationen für E-Bikes und E-Autos.
- Gutschriften oder Abonnemente für den öffentlichen Verkehr für die Bewohner.
Diese Flexibilität soll Innovationen fördern und es ermöglichen, Projekte zu realisieren, die gezielt auf eine autoarme Bewohnerschaft ausgerichtet sind.
Ziele der neuen Regelung
Der Gemeinderat von Allschwil verfolgt mit der Reduktion der Parkplatzpflicht mehrere strategische Ziele. Im Vordergrund stehen die Entlastung des Strassennetzes und die Förderung einer nachhaltigeren Mobilität.
"Wir wollen nicht das Auto verbieten, aber wir wollen Anreize schaffen, damit die Menschen bewusster entscheiden, welches Verkehrsmittel für welchen Zweck am besten geeignet ist", erklärte ein Vertreter der Gemeinde während der Debatte im Einwohnerrat.
Ökologische und ökonomische Vorteile
Die Reduktion von Parkflächen hat weitreichende positive Effekte. Weniger versiegelte Flächen bedeuten mehr Platz für Grünanlagen, Spielplätze oder Gemeinschaftsräume, was die Lebensqualität in den Quartieren steigert. Dies trägt auch zur besseren Versickerung von Regenwasser bei und hilft, städtische Hitzeinseln zu reduzieren.
Kostenfaktor Tiefgarage
Der Bau von Tiefgaragenplätzen ist ein erheblicher Kostenfaktor bei Neubauprojekten. Ein einzelner unterirdischer Parkplatz kann Baukosten von 40'000 bis 60'000 Franken verursachen. Diese Kosten werden letztlich auf die Mieten oder Kaufpreise umgelegt. Eine Reduktion der Parkplatzpflicht kann somit zu günstigerem Wohnraum beitragen.
Für Bauherren und Investoren sinken die Baukosten, was wiederum das Potenzial für erschwinglichere Mieten schafft. Bewohner, die kein Auto besitzen, müssen nicht mehr über ihre Miete einen teuren Parkplatz mitfinanzieren, den sie nicht benötigen.
Politische Debatte und unterschiedliche Meinungen
Die Entscheidung im Einwohnerrat von Allschwil war nicht unumstritten. Sie spiegelt eine grundlegende Debatte über die zukünftige Gestaltung der Mobilität in urbanen Räumen wider.
Stimmen der Befürworter
Die Befürworter der neuen Regelung, vor allem aus dem links-grünen Lager, argumentierten, dass die bisherige Politik den motorisierten Individualverkehr zementiert habe. Sie betonten, dass eine moderne Gemeinde wie Allschwil, die direkt an Basel grenzt und hervorragend an den öffentlichen Verkehr angebunden ist, eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik brauche.
Ein Argument war, dass das Angebot die Nachfrage steuert: "Wenn wir weniger Parkplätze bauen, werden sich auch weniger Menschen für ein Auto entscheiden oder zumindest auf ein Zweitauto verzichten."
Kritik und Bedenken
Kritiker aus bürgerlichen Parteien und dem Gewerbe äusserten hingegen Bedenken. Sie warnten vor einer Verlagerung des Parkproblems in die umliegenden Quartiere. Wenn bei Neubauten nicht genügend Parkplätze vorhanden seien, würden Bewohner und Besucher auf öffentliche Parkplätze im Strassenraum ausweichen und so den Parkdruck für alle erhöhen.
Ein Vertreter des lokalen Gewerbeverbands gab zu bedenken: "Für viele Handwerksbetriebe und Dienstleister ist das Auto unverzichtbar. Eine Verschlechterung der Parkplatzsituation könnte den Wirtschaftsstandort Allschwil schwächen." Zudem wurde argumentiert, dass viele Familien, insbesondere mit kleinen Kindern, weiterhin auf ein Auto angewiesen seien.
Einordnung und Ausblick
Allschwil folgt mit diesem Schritt einem Trend, der in vielen Schweizer Städten und Agglomerationsgemeinden zu beobachten ist. Städte wie Zürich, Bern und auch der Nachbarkanton Basel-Stadt haben ihre Parkplatzvorschriften in den letzten Jahren bereits gelockert, um den Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel zu beschleunigen.
Die Erfahrungen aus diesen Städten zeigen, dass eine Reduktion der Parkplatzpflicht in Kombination mit einem guten ÖV-Angebot und einer velofreundlichen Infrastruktur tatsächlich zu einer Abnahme des Autoverkehrs führen kann, ohne dass es zu einem Parkplatzchaos kommt.
Die Gemeinde Allschwil wird die Auswirkungen der neuen Regelung genau beobachten. Es ist geplant, die Entwicklung des Parkdrucks in den Quartieren zu monitoren und bei Bedarf mit flankierenden Massnahmen wie der Einführung von Parkraumbewirtschaftung (Blaue Zonen) zu reagieren. Die neue Verordnung ist somit ein wichtiger, aber nicht der letzte Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Mobilität in der Region.