Ein elsässischer Kaminfeger wurde vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen, nachdem im Dezember 2021 eine Frau in Binningen an Kohlenmonoxid-Vergiftung starb und ein Ehepaar nur knapp überlebte. Das Baselbieter Strafgericht konnte keine eindeutige Schuldzuweisung vornehmen und verwies auf zahlreiche Ungereimtheiten in der Anklage.
Wichtige Punkte
- Kaminfeger vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen.
- Gericht sieht erhebliche Zweifel an der Schuld des Beschuldigten.
- Mehrere Personen hatten Zugang zum Heizungsraum, aus dem das Gas austrat.
- Installationsschacht der Heizung war nicht vorschriftskonform.
- Polizei und Feuerwehr konnten zunächst keine Auffälligkeiten feststellen.
Die tragischen Ereignisse in Binningen
Am 7. Dezember 2021 kam es in einem Mehrfamilienhaus in Binningen zu einem fatalen Vorfall. Eine Bewohnerin verstarb infolge einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. Ein weiteres Ehepaar wurde bewusstlos in seiner Wohnung aufgefunden und konnte nur dank schneller medizinischer Hilfe im Universitätsspital gerettet werden.
Es ist unbestritten, dass das tödliche Gas aus der Heizungsanlage des Gebäudes austrat. Durch einen Installationsschacht gelangte das Kohlenmonoxid in insgesamt drei der sechs Wohnungen der Liegenschaft. Die Staatsanwaltschaft konzentrierte sich bei ihren Ermittlungen auf einen Kaminfeger, der kurz zuvor Wartungsarbeiten an der Anlage durchgeführt hatte.
Faktencheck Kohlenmonoxid
- Kohlenmonoxid (CO) ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas.
- Es entsteht bei unvollständiger Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Materialien.
- CO bindet sich über 200-mal stärker an Hämoglobin als Sauerstoff.
- Symptome einer Vergiftung sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Bewusstlosigkeit.
- Ohne rechtzeitige Behandlung kann eine Kohlenmonoxid-Vergiftung tödlich sein.
Zweifel an der Schuld des Kaminfegers
Der angeklagte Kaminfeger, ein erfahrener Handwerker aus dem Elsass, wurde vom Baselbieter Strafgericht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Einzelrichter Andreas Schröder betonte in seiner Urteilsbegründung, dass erhebliche Zweifel an der Schuld des Beschuldigten bestanden.
Die Staatsanwaltschaft warf dem Kaminfeger vor, den Deckel einer Serviceöffnung am Abgasrohr nach der Wartung nicht wieder ordnungsgemäss montiert zu haben. Zwei Stockwerkeigentümer fanden den Deckel später und bemerkten austretenden Rauch, nachdem das vergiftete Ehepaar entdeckt worden war. Die Meldung an die Polizei erfolgte jedoch erst vier Tage später.
«Wenn an der Wahrheit der Anklage erhebliche Zweifel bestünden, dürfe ein Beschuldigter nicht verurteilt werden», erklärte Richter Andreas Schröder.
Zugang zum Heizungsraum und unklare Abläufe
Das Gericht stellte fest, dass neben dem Kaminfeger auch zahlreiche andere Personen Zugang zum Heizungsraum hatten. Dazu gehörten die drei Stockwerkeigentümer, eine Reinigungskraft sowie die Verwaltung des Mehrfamilienhauses. Alle diese Parteien besassen einen Schlüssel zum Raum.
Es blieb zudem unklar, wie lange die Türe zum Heizungsraum nach den Wartungsarbeiten unverschlossen geblieben war. Richter Schröder hob hervor: «Wir wissen, dass sich diverse Leute da unten aufgehalten haben.»
Hintergrund: Pflichten bei Heizungswartung
Die regelmässige Wartung von Gasheizungen ist entscheidend für die Sicherheit. Fachpersonal ist verpflichtet, alle Komponenten nach Abschluss der Arbeiten wieder korrekt zu verschliessen und die Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Eine unsachgemässe Wartung kann schwerwiegende Folgen haben, insbesondere wenn Abgase austreten können.
Ungereimtheiten in der Ermittlung
Das Gericht stiess auf weitere „Ungereimtheiten“ in der Anklage. Nachdem eine Bewohnerin zum ersten Mal das Bewusstsein verloren hatte, begab sich ein anderer Stockwerkeigentümer in den Heizungsraum. Ihm fielen jedoch weder ein offener Deckel noch austretender Rauch auf. Auch am Folgetag konnten Polizei und Feuerwehr trotz Messungen offenbar keine Auffälligkeiten feststellen.
Richter Schröder äusserte sich kritisch: «Warum hat die Polizei nichts gemerkt?» Diese Frage bleibt bis heute unbeantwortet und wirft Schatten auf die anfänglichen Ermittlungen.
Fragen an die Polizei und Mängel an der Anlage
Der Richter stellte zudem Fragen bezüglich möglicher Pflichtwidrigkeiten der Polizei. Der Oberarzt des Universitätsspitals Basel hatte die Polizei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass weitere Wohnungen von einem Gasaustritt betroffen sein könnten. Dennoch wurde die spätere Verstorbene, eine 84-jährige Frau, offenbar nicht gewarnt. Ein Nachbar hatte den Beamten mitgeteilt, sie sei vermutlich bei der Arbeit.
Eine weitere kritische Frage war, warum die Heizung nicht umgehend abgestellt wurde. Untersuchungen durch Fachleute zeigten zudem, dass die Heizungsanlage im Mehrfamilienhaus nicht vorschriftskonform installiert war. Das Gas hätte nicht in den Installationsschacht gelangen dürfen, und dieser wich vom Bauplan ab.
Unbefriedigendes Ergebnis für die Opfer
Für die Opfer und deren Angehörige bleibt das Gerichtsverfahren unbefriedigend. Sie wissen nach wie vor nicht, wer für das tragische Ereignis verantwortlich ist. Richter Schröder bedauerte dies ausdrücklich:
«Wir hätten gerne eine Antwort gefunden. Das haben wir aber nicht.»
Gegen das Urteil steht den Parteien noch die Möglichkeit offen, Berufung einzulegen. Es bleibt abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft oder die Privatkläger diese Option nutzen werden, um doch noch eine Antwort auf die offene Schuldfrage zu erhalten.
Dieser Fall zeigt die Komplexität von Unglücksfällen, bei denen die Beweislage unklar ist und mehrere Faktoren zu einem tragischen Ausgang beitragen können. Die Suche nach Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit ist in solchen Situationen oft langwierig und schwierig.
- Datum des Vorfalls: 7. Dezember 2021
- Ort: Binningen, Basel-Landschaft
- Opfer: Eine Tote, zwei Schwerverletzte
- Ursache: Kohlenmonoxid-Austritt aus Heizungsanlage
- Gerichtsentscheid: Freispruch mangels eindeutiger Beweise




