Vor dem Basler Strafgericht steht seit Dienstag ein 44-jähriger Bauarbeiter aus Ungarn. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, eine junge australische Touristin in einem Hostel vergewaltigt zu haben. Die Frau war für den Eurovision Song Contest in die Stadt gereist. Der Verteidiger des Mannes spricht von einem Missverständnis.
Wichtige Punkte
- Einem 44-jährigen Mann wird mehrfache Vergewaltigung vorgeworfen.
- Das mutmassliche Opfer ist eine 22-jährige australische Touristin.
- Die Tat soll sich in der Nacht des 12. Mai in einem Basler Hostel ereignet haben.
- Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, die Verteidigung plädiert auf Freispruch.
Zwei gegensätzliche Darstellungen vor Gericht
Der Gerichtssaal des Basler Strafgerichts wurde am Dienstag zum Schauplatz zweier völlig unterschiedlicher Erzählungen. Auf der einen Seite steht die Anklage der Staatsanwaltschaft, die ein düsteres Bild von Ausnutzung und Gewalt zeichnet. Auf der anderen Seite die Aussage des Beschuldigten, der von einem einvernehmlichen Abend spricht, der falsch interpretiert worden sei.
Die Begegnung fand am Abend des 12. Mai im Innenhof des «Basel Backpack» statt. Der 44-jährige Ungar, ein Bauarbeiter, traf auf die 22-jährige Australierin. Sie war alleine unterwegs und hatte den weiten Weg auf sich genommen, um den Eurovision Song Contest zu erleben. Die Kommunikation zwischen den beiden lief über eine Übersetzungs-App auf dem Mobiltelefon, da er kein Englisch und sie kein Ungarisch spricht.
Die Sicht der Anklage
Laut Staatsanwältin Alexandra Frank hat der Angeklagte die Situation der jungen Frau gezielt ausgenutzt. Er habe ihr wiederholt Wodka und einen Joint angeboten. Die Anklageschrift führt aus, dass der Mann die Frau, die zuvor noch nie Marihuana konsumiert hatte, mit den Substanzen gefügig gemacht habe.
Anschliessend sei er mit ihr auf sein Zimmer gegangen, ein Mehrbettzimmer, das zu diesem Zeitpunkt aber leer war. Dort soll er sie gegen ihren Willen ausgezogen und bis in die frühen Morgenstunden mehrfach versucht haben, sie vaginal und anal zu penetrieren. Ihre wiederholten Schmerzensbekundungen habe er ignoriert.
Details aus der Anklage
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, die Abwehrversuche der Frau mit Gewalt unterdrückt zu haben. Er soll sein Körpergewicht eingesetzt und sie gewürgt haben. Aufgrund des Konsums von Alkohol und Cannabis sei es der Touristin nicht möglich gewesen, sich stärker zur Wehr zu setzen.
Die Staatsanwaltschaft wertet das Geschehen als mehrfache Vergewaltigung. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von vier Jahren für den ungarischen Staatsbürger.
«Sie war scheu und sexuell unerfahren, befand sich in einem fremden Land und konnte mit dem Beschuldigten kaum kommunizieren. Sie war schlicht überfordert», argumentierte Staatsanwältin Alexandra Frank vor Gericht.
Die Version des Angeklagten
Der beschuldigte Bauarbeiter streitet die Vorwürfe vehement ab. Er räumte zwar den gemeinsamen Konsum von Cannabis ein, betonte aber, zu keinem Zeitpunkt Gewalt angewendet zu haben. Aus seiner Sicht war die gesamte Interaktion einvernehmlich.
Er beschrieb, wie sie sich bereits im Hof geküsst hätten, was auch die Frau in ihrer Aussage bestätigte. Er behauptet, sie sei ihm freiwillig auf das Zimmer gefolgt. Dort habe es lediglich zu einer Massage und einvernehmlichem Oralsex gekommen. Als sie über die Übersetzungs-App mitteilte, dass sie Schmerzen habe, habe er sofort von weiteren Annäherungsversuchen abgesehen.
Verteidigung spricht von «grossem Missverständnis»
Der Verteidiger des Mannes, Marco Belser, untermauerte die Version seines Mandanten. Er führte an, dass die Signale der Frau an jenem Abend nicht eindeutig gewesen seien. «Die Signale der Frau waren nicht dazu geeignet, meinen Mandanten zu stoppen», erklärte Belser im Plädoyer. Deshalb müsse man von einem «grossen Missverständnis» ausgehen.
Die Umstände im Hostel
Ein zentraler Punkt der Verteidigung ist die Situation im Hostelzimmer. In der Nacht schliefen sieben weitere Gäste in dem Zimmer. Der Anwalt argumentierte, die Frau hätte jederzeit um Hilfe rufen oder den Raum verlassen können. Keiner der anderen Gäste scheint etwas von dem Vorfall bemerkt zu haben.
Zudem betonte der Verteidiger, dass die Anzeige nicht von der Frau selbst, sondern von ihrem Freund erstattet wurde, nachdem sie ihm von den Ereignissen erzählt hatte. In den polizeilichen Einvernahmen fänden sich keine direkten Vorwürfe der Frau an den Beschuldigten. Er kritisierte die Anklageschrift als unsachlich und vorverurteilend formuliert.
Ein Abend mit weitreichenden Folgen
Die Begegnung begann laut Aussagen beider Seiten harmlos. Der Angeklagte beschrieb die junge Frau als «mädchenhaft», wie sie im Hof mit einer Katze spielte. Er zeigte ihr das Katzenfutter in der Küche und bot ihr an, von seinem Joint und seinem Wodka zu trinken. Was als freundliches Kennenlernen begann, endete mit schweren Vorwürfen, die nun das Basler Strafgericht klären muss.
Die Staatsanwaltschaft zeichnet das Bild einer schutzlosen, überforderten jungen Frau. Sie sei in einem fremden Land gewesen, habe die Sprache nicht gesprochen und sei durch die ihr unbekannten Substanzen in ihrer Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt gewesen. Das wiederholte Anbieten von Alkohol sei Teil der Strategie des Mannes gewesen, sie gefügig zu machen.
Die Verteidigung hingegen stellt die Eigenverantwortung der Frau in den Vordergrund. Sie habe freiwillig getrunken und geraucht und sei dem Mann aus eigenem Antrieb gefolgt. Die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe und die Sprachbarriere hätten zu einer fatalen Fehlinterpretation der Situation geführt.
Das Urteil des Dreiergerichts unter dem Vorsitz von Roland Strauss wird für Mittwoch erwartet. Bis dahin gilt für den Angeklagten die Unschuldsvermutung.




