Das Appellationsgericht Basel-Stadt hat entschieden, dass Daten der SkyECC-App in einem wichtigen Drogenprozess nicht als Beweismittel zugelassen werden können. Diese Entscheidung hat direkte Auswirkungen auf die Anklage gegen einen 50-jährigen Mann, der des internationalen Drogenhandels beschuldigt wird. Die Staatsanwaltschaft hatte die entschlüsselten Chatverläufe als zentrale Belege für eine Beteiligung des Angeklagten an grossangelegten Drogenschmuggeloperationen vorgelegt. Das Gericht schränkt damit die Beweismittel auf solche ein, die unabhängig von den SkyECC-Daten gesammelt wurden.
Der Fall, der bereits im Januar 2023 vor dem Strafgericht verhandelt wurde, erfuhr durch diese neue Entwicklung eine wesentliche Wendung. Während die Staatsanwaltschaft ursprünglich eine Haftstrafe von über 17 Jahren forderte, da sie den Beschuldigten als 'grossen Fisch' im globalen Drogenhandel ansah, verhängte das Strafgericht eine deutlich geringere Strafe von zehn Jahren und neun Monaten. Dies geschah hauptsächlich aufgrund des Handels mit 4,2 Kilogramm Kokain, nicht der ursprünglich angenommenen neun Tonnen.
Wichtige Erkenntnisse
- Appellationsgericht Basel-Stadt lehnt SkyECC-Daten als Beweismittel ab.
- Entscheidung betrifft einen Prozess wegen internationalen Drogenhandels.
- Anklagepunkte werden auf nicht-SkyECC-basierte Beweise reduziert.
- Staatsanwaltschaft forderte ursprünglich über 17 Jahre Haft.
- Erstinstanzliches Urteil verhängte 10 Jahre und 9 Monate Haft.
Hintergrund des SkyECC-Verfahrens
Die Entscheidung des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom Mittwoch ist ein Präzedenzfall für die Verwertbarkeit von entschlüsselten Kommunikationsdaten aus Krypto-Messenger-Diensten. Die SkyECC-App war bei Kriminellen beliebt, weil sie eine vermeintlich sichere Kommunikation versprach. Europäische Ermittlungsbehörden konnten die Server der App jedoch knacken und Millionen von Nachrichten abfangen und entschlüsseln. Diese Daten wurden anschliessend in zahlreichen Strafverfahren in ganz Europa als Beweismittel eingeführt.
In der Schweiz gab es bisher unterschiedliche Auffassungen zur rechtlichen Verwertbarkeit dieser Daten. Gerichte mussten prüfen, ob die Beschaffung der Daten den nationalen Rechtsnormen entsprach und ob die Rechte der Beschuldigten gewahrt wurden. Die aktuelle Entscheidung in Basel-Stadt unterstreicht die Komplexität dieser rechtlichen Fragen.
Was ist SkyECC?
SkyECC war ein verschlüsselter Messaging-Dienst, der speziell für Nutzer entwickelt wurde, die Wert auf höchste Vertraulichkeit legten. Er wurde oft von kriminellen Organisationen für die Planung und Koordination illegaler Aktivitäten genutzt. Im Jahr 2021 gelang es europäischen Polizeibehörden, die Server des Dienstes zu kompromittieren und Zugriff auf die Kommunikation zu erhalten. Dies führte zu einer Welle von Verhaftungen und Prozessen in mehreren Ländern.
Der Drogenprozess im Detail
Der betroffene Prozess dreht sich um einen 50-jährigen Mann, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, nicht nur lokal mit Kokain gehandelt, sondern auch an einem grossangelegten internationalen Drogenschmuggel beteiligt gewesen zu sein. Die nun als nicht verwertbar eingestuften SkyECC-Daten sollten belegen, dass der Angeklagte eine zentrale Rolle in einem Netzwerk spielte, das den Schmuggel von erheblichen Mengen Kokain organisierte.
Das erstinstanzliche Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt vom Januar 2023 hatte die Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer Haftstrafe von über 17 Jahren zurückgewiesen. Das Gericht sah die Beweise für eine Beteiligung an einem internationalen Schmuggel von neun Tonnen Kokain als nicht ausreichend an. Stattdessen wurde der Mann hauptsächlich wegen des Handels mit 4,2 Kilogramm Kokain verurteilt, was zu einer Strafe von zehn Jahren und neun Monaten führte.
«Die Staatsanwaltschaft betrachtete den Mann als einen der grössten Fische des internationalen Drogenhandels. Das Strafgericht sah dies aber nicht als erwiesen an und verurteilte ihn zu zehn Jahren und neun Monaten.»
Konsequenzen für die Anklage
Die Entscheidung des Appellationsgerichts bedeutet eine erhebliche Einschränkung für die Staatsanwaltschaft. Alle Anklagepunkte, die primär oder ausschliesslich auf den SkyECC-Daten basieren, müssen nun möglicherweise fallen gelassen oder neu bewertet werden. Dies könnte die Beweislage gegen den Angeklagten schwächen und die Möglichkeit einer weiteren Reduzierung der Strafe eröffnen. Die Verteidigung hatte genau dies gefordert und argumentierte, dass die Daten nicht rechtmässig erhoben wurden.
Wichtige Zahlen
- 17+ Jahre: Ursprüngliche Forderung der Staatsanwaltschaft.
- 10 Jahre 9 Monate: Verhängte Strafe in erster Instanz.
- 4.2 kg: Menge Kokain, für die eine Verurteilung erfolgte.
- 9 Tonnen: Menge Kokain, die der Staatsanwaltschaft zufolge geschmuggelt wurde.
Rechtliche Debatte um Krypto-Messenger-Daten
Die Frage der Verwertbarkeit von Daten aus Krypto-Messengern wie SkyECC ist in vielen Ländern Europas Gegenstand intensiver rechtlicher Debatten. Während Ermittlungsbehörden die Daten als entscheidendes Werkzeug im Kampf gegen die organisierte Kriminalität sehen, werfen Verteidiger und Datenschützer Bedenken hinsichtlich der Rechtmässigkeit der Datenerhebung und des Schutzes der Privatsphäre auf.
In Deutschland beispielsweise haben Gerichte in ähnlichen Fällen unterschiedliche Urteile gefällt. Einige Gerichte haben die Daten zugelassen, andere haben sie aufgrund von Verfahrensfehlern oder mangelnder Transparenz bei der Datenerhebung abgelehnt. Die Schweizer Justiz muss hier eigene klare Linien entwickeln, und die Basler Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in diesem Prozess.
Ausblick auf das weitere Verfahren
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Mit der aktuellen Entscheidung des Appellationsgerichts wird der Fall nun auf einer neuen Grundlage weiterverhandelt. Es ist zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklagepunkte neu formulieren oder sich auf andere, unabhängig erhobene Beweismittel konzentrieren muss.
Die Verteidigung wird voraussichtlich versuchen, die verbleibenden Anklagepunkte weiter anzufechten und eine noch mildere Strafe zu erreichen. Dieser Fall wird weiterhin genau beobachtet, da er wegweisend für die zukünftige Handhabung von digital gewonnenen Beweismitteln in der Schweiz sein könnte.
Die Entwicklung des Falls zeigt die Herausforderungen, mit denen die Justiz im digitalen Zeitalter konfrontiert ist. Die Balance zwischen effektiver Kriminalitätsbekämpfung und dem Schutz individueller Rechte bleibt eine zentrale Aufgabe.