Nach über zwei Jahren intensiver Verhandlungen hat das Theater Basel einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für sein technisches Personal abgeschlossen. Dieser Vertrag, der in einem partizipativen Prozess unter Einbindung von Mitarbeitenden entstand, führt unter anderem eine 40-Stunden-Woche ein und verbessert die Arbeitsbedingungen für diverse Abteilungen. Der Abschluss markiert einen wichtigen Schritt für die Arbeitsbeziehungen am Theater Basel.
Wichtige Punkte
- Einführung der 40-Stunden-Woche für technisches Personal.
- Partizipativer Verhandlungsprozess mit direkter Beteiligung der Mitarbeitenden.
- Lohnerhöhungen für Abteilungen mit den tiefsten Löhnen (Garderobe, Reinigung, Aushilfen).
- Verbesserter Kündigungsschutz und strengere Regeln gegen Kettenverträge.
- Stärkung der Gleichstellung, inklusive erweiterter Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaubsregelungen.
Einzigartiger Verhandlungsprozess
Die Verhandlungen für den neuen GAV dauerten über zwei Jahre und umfassten 25 Sitzungen. Das Besondere an diesem Prozess war die direkte Beteiligung der Belegschaft. Insgesamt waren 42 Mitarbeitende aus allen Gewerken und 10 Abteilungsleitende an der Ausarbeitung beteiligt. Alle weiteren Mitarbeitenden hatten die Möglichkeit, den Verhandlungen zuzuhören.
Die Gewerkschaft VPOD Region Basel betonte in einer Mitteilung, dass dieses Format das übliche Machtgefälle durchbrochen und die Mitarbeitenden direkt an den Verhandlungstisch gebracht habe. Intendant Benedikt von Peter bestätigte, dass die Idee für dieses partizipative Format von der Gewerkschaft und den Mitarbeitenden stammte. Die Theaterleitung habe darin eine Chance für einen umfassenden Gedankenaustausch gesehen.
Fakt
Der neue Gesamtarbeitsvertrag löst den vorherigen GAV aus dem Jahr 2016 ab. Er ist das Ergebnis von 25 Verhandlungssitzungen über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren.
Lohnerhöhungen und Herausforderungen
Der neue GAV sieht Lohnerhöhungen für jene Abteilungen vor, die bisher die tiefsten Löhne aufwiesen. Konkret profitieren die Mitarbeitenden der Garderobe von einer 7,4-prozentigen Lohnerhöhung. Für das Reinigungspersonal beträgt die Erhöhung 4 Prozent. Diverse Aushilfen auf Stundenlohnbasis erhalten zwischen 1 und 5 Prozent mehr Lohn. Diese Anpassungen werden durch normale jährliche Budgetanpassungen finanziert.
Eine generelle Lohnerhöhung, wie sie von der Gewerkschaft gefordert wurde, konnte das Theater Basel nicht umsetzen. Nils Braun-Dubler, Direktor Finanzen und Verwaltung, erklärte: "Wir können uns generelle Lohnerhöhungen nicht leisten, das wäre unverantwortlich." Er verwies auf einen substanziellen Verlust, den das Theater zu Beginn der Verhandlungen ausgewiesen hatte. Die Leitung sei für das gesamte Haus zuständig und müsse den Leistungsauftrag erfüllen, ohne weniger Premieren für höhere Technikerlöhne zu streichen.
"Wir können uns generelle Lohnerhöhungen nicht leisten, das wäre unverantwortlich."
Die 40-Stunden-Woche und Flexibilisierung
Als Entgegenkommen für die Mitarbeitenden wurde die Wochenarbeitszeit von 42 auf 40 Stunden reduziert. Diese Umstellung stellt eine Herausforderung dar, da die Spielzeit 2026/27 bereits geplant ist. Die Reduktion der Arbeitszeit führt zu einem Leistungsabbau, der durch die Einführung einer Jahresarbeitszeit kompensiert werden soll. Dies ermöglicht eine erhöhte Flexibilität in der Arbeitsplanung.
Zudem soll die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit verstärkt werden. Braun-Dubler nannte als Beispiel die Oper "Dido and Aeneas", nach deren Aufführungen grosse Mengen Sand von der Bühne entfernt werden mussten. Eine Aufgabe, die grundsätzlich jede Person ausführen kann. Statt Überstunden für die Zuständigen, können nun Personen, die ohnehin anwesend sind, mithelfen, um die Aufgabe schneller zu erledigen. Dies optimiert die Abläufe und reduziert den Überstundenbedarf.
Hintergrundinformation
Die Strukturen des Theaters Basel sind komplex. Es wird an sieben Tagen die Woche von 8 bis 24 Uhr gearbeitet. Das technische Personal, das die Hälfte der Festangestellten ausmacht, ist eine äusserst heterogene Gruppe mit Berufen wie Schneiderinnen, Schlossern, Schreinern, Bühnenbildnern und Reinigungskräften. Dies führt zu unterschiedlichen Bedürfnissen und Anforderungen an einen GAV.
Fortschritte bei Gleichstellung und Kündigungsschutz
Trotz des Wunsches nach generellen Lohnerhöhungen sieht Gewerkschaftssekretärin Sina Deiss wichtige Fortschritte. Sie hob insbesondere die Einführung der 40-Stunden-Woche hervor. Auch die Gleichstellung wurde gestärkt. Neu können Schwangere bis zu vier Wochen vor dem Geburtstermin ohne Arztzeugnis krankgeschrieben werden. Der Lohnanspruch nach der Geburt wurde von sechzehn auf achtzehn Wochen erhöht. Der jeweils andere Elternteil erhält neu vier Wochen Vaterschaftsurlaub, doppelt so viel wie die bisher gesetzlich vorgesehenen zwei Wochen.
Weitere zentrale Neuerungen umfassen einen verbesserten Kündigungsschutz. Die Regeln gegen Kettenverträge wurden verschärft, um befristete Arbeitsverhältnisse stärker zu regulieren. Auch das Dienstaltersgeschenk wurde angepasst und verbessert. Diese Punkte waren wesentliche Forderungen der Mitarbeitenden und der Gewerkschaft.
Differenzen und Ausblick
Intendant Benedikt von Peter schätzte den intensiven Austausch mit den Mitarbeitenden während der Verhandlungen. Er kritisierte jedoch, dass die Gewerkschaft das Format auch als Plattform genutzt habe, um neue Mitglieder zu gewinnen. Parallel zu den Verhandlungen gab es Proteste von Mitarbeitenden und Gewerkschaft, die sich nicht gehört fühlten. Braun-Dubler betonte, dass der Glaube, Druck führe zu höheren Löhnen, am Theater nicht funktioniere, da die finanziellen Mittel begrenzt seien.
Die Theaterleitung kann sich einen ähnlichen Prozess in der Zukunft vorstellen, jedoch mit geänderten Spielregeln. Inhalte aus den Verhandlungen sollen nicht an die Öffentlichkeit gelangen, solange diese noch nicht abgeschlossen sind. Sina Deiss wies den Vorwurf, der VPOD habe vor allem Aufmerksamkeit erregen wollen, zurück. Sie erklärte, dass die Gewerkschaft die Interessen der Mitarbeitenden vertrete und Aktionen üblich seien, wenn es zu einem Stillstand komme. Die Gewerkschaft habe jedoch keine Verhandlungsinhalte öffentlich gemacht.
Trotz der Uneinigkeiten litten die Qualität der Arbeit des Personals nie, betonten die Verantwortlichen. Insbesondere die Abteilungsleitenden hätten viel freiwillige Arbeit geleistet, um dieses Ergebnis zu erzielen. Eine Kommission soll nun die Umsetzung des GAV begleiten. Ein Schlichtungsgesuch, das mehrere Angestellte zusammen mit dem VPOD wegen nicht ausbezahlter Überstunden eingereicht hatten, hatte keine Auswirkung auf den GAV. Das Theater rechnet damit, den Ausgang dieses Verfahrens im Oktober bekannt geben zu können.