Eine Welle der Solidarität sichert den Betrieb des Kindernäschts in der Basler Innenstadt für ein weiteres Jahr. Dank einer Crowdfunding-Aktion des Vereins «Gärngschee» kamen innerhalb weniger Wochen 80’000 Franken zusammen. Die langfristige Finanzierung der flexiblen Kinderbetreuungseinrichtung bleibt jedoch ungewiss, nachdem der Kanton seine Beiträge gestrichen hat.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Verein «Gärngschee» hat durch eine Spendenaktion 80’000 Franken für das Kindernäscht gesammelt.
- Diese Summe sichert den Betrieb für ein weiteres Jahr, löst aber nicht das grundsätzliche Finanzierungsproblem.
- Der Kanton Basel-Stadt hat seine jährliche Unterstützung von 72’000 Franken eingestellt.
- Politikerinnen von SP und Mitte wollen sich in der kommenden Budgetdebatte für eine dauerhafte Lösung einsetzen.
Ein Aufschub, keine dauerhafte Rettung
Für viele Basler Eltern ist es eine grosse Erleichterung: Das Kindernäscht, eine zentrale Anlaufstelle für flexible und stundenweise Kinderbetreuung, kann seinen Betrieb fortsetzen. Die drohende Schliessung Ende Juli wurde durch das Engagement der Zivilgesellschaft vorerst abgewendet. Rund 200 Spenderinnen und Spender beteiligten sich an der von «Gärngschee – Basel hilft» initiierten Rettungsaktion.
Letizia Marioni, die Gründerin des Kindernäschts, zeigte sich überwältigt von der Unterstützung. «Es ist genial, wie viel Geld in so kurzer Zeit zusammengekommen ist», erklärte sie. Gleichzeitig dämpft sie die Euphorie und spricht von einem wichtigen Zeitgewinn, nicht aber von einer endgültigen Lösung. «Es ist keine Rettung, es ist ein Aufschub», so Marioni. Die kommenden zwölf Monate müssen nun genutzt werden, um eine nachhaltige Finanzierung auf die Beine zu stellen.
Was ist das Kindernäscht?
Das Kindernäscht bietet seit über 16 Jahren eine einzigartige Dienstleistung in Basel. Eltern können ihre Kinder im Alter von 18 Monaten bis 12 Jahren stundenweise und ohne lange Voranmeldung betreuen lassen. Das Angebot richtet sich auch explizit an Kinder mit Behinderungen oder besonderen Bedürfnissen und schliesst damit eine wichtige Lücke im regulären Betreuungssystem.
Der Kanton zieht sich zurück
Die finanzielle Notlage entstand, als das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) die jährlichen Subventionen in Höhe von 72’000 Franken strich. Diese Unterstützung war 16 Jahre lang eine tragende Säule des Budgets. Die Begründung des Kantons: Das flexible Konzept des Kindernäschts entspreche nicht mehr den «geltenden Voraussetzungen des Tagesbetreuungsgesetzes».
Diese Entscheidung löste in der Stadt grosses Unverständnis aus. Viele Eltern sind auf genau diese unkomplizierte und spontane Betreuungsmöglichkeit angewiesen, um Beruf, Termine oder unvorhergesehene Ereignisse zu meistern. Die Regierung verwies in einer Antwort auf eine politische Anfrage auf alternative Angebote wie Babysitter oder Nannys – eine Lösung, die für viele Familien weder praktikabel noch bezahlbar ist.
Zahlen zur Rettungsaktion
- Zielbetrag: 80’000 Franken
- Erreichte Summe: 80’000 Franken
- Anzahl Spender: rund 200
- Dauer: wenige Wochen
Politik erkennt den Handlungsbedarf
Die erfolgreiche Spendenaktion wird nun auch als klares politisches Signal verstanden. SP-Grossrätin Edibe Gölgeli, die bereits im September eine Interpellation zum Thema eingereicht hatte, sieht den Willen der Bevölkerung bestätigt.
«Das Signal der Bevölkerung an die Politik ist klar: Das Kindernäscht ist gewünscht.»
Gemeinsam mit Mitte-Grossrätin Andrea Strahm will sie das Thema in der anstehenden Budgetdebatte erneut auf die politische Agenda bringen. Die Hoffnung ist, dass der Grosse Rat die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung anerkennt und die nötigen Mittel für eine langfristige Sicherung bewilligt. Gölgeli zeigt sich vorsichtig optimistisch: «Es besteht Hoffnung, aber ich kann nichts garantieren.»
Ein «Sonnenschirm» für die Kinderbetreuung
Andrea Strahm findet deutlichere Worte und stellt die benötigte Summe in Relation zu anderen kantonalen Ausgaben. «Die 80’000 Franken pro Jahr sollten wir uns leisten können, das ist quasi so viel wie ein Sonnenschirm», merkte sie an. Auch wenn der Vergleich leicht überzeichnet ist – ein Sonnenschirm für die Stadt kostet rund 10’000 Franken –, macht sie ihren Standpunkt klar: Der Betrag sei im Gesamtbudget des Kantons überschaubar.
Ihre Aussage unterstreicht die Überzeugung vieler, dass es sich um eine politische Prioritätensetzung handelt. Strahm schliesst mit einer pointierten Bemerkung: «Wir haben schon für dümmere Sachen Geld gesprochen.»
Die Rolle der Zivilgesellschaft
Die Rettungsaktion ist ein Paradebeispiel für die wachsende Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements. Der Verein «Gärngschee», der während der Corona-Pandemie entstand, hat sich als wichtige Kraft in der Region etabliert. Ursprünglich als Nachbarschaftshilfe gestartet, setzt sich der Verein heute vor allem für armutsbetroffene Menschen ein, etwa mit der «Mässpäggli»- oder der Weihnachtswunschzettel-Aktion.
Sandie Collins, Geschäftsleiterin von «Gärngschee», bezeichnet die Sammlung für das Kindernäscht als eine der «spektakuläreren Aktionen» des Vereins. Sie betont jedoch, dass dies eine einmalige Nothilfe sei. Das Kindernäscht habe nun ein Jahr Zeit, eine stabile Finanzierungsgrundlage zu schaffen. Die Verantwortung liege letztlich wieder bei der Politik, die den durch die Bürgeraktion geschaffenen Freiraum nutzen müsse.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Politik das starke Signal aus der Bevölkerung aufnimmt und eine dauerhafte Lösung für diese für viele Familien unverzichtbare Einrichtung findet.





