In Basel formiert sich Widerstand gegen eine Volksinitiative der SP, die Unternehmen mit mehr als zehn Angestellten verpflichten will, Steuern direkt vom Lohn abzuziehen. Wirtschaftsverbände und Arbeitgeber lobbyieren intensiv gegen die Vorlage, die am kommenden Mittwoch im Grossen Rat zu Ende debattiert wird.
Wichtige Punkte
- Die SP Basel fordert obligatorische Lohnabzüge für Steuern bei grösseren Firmen.
- Der Grosse Rat diskutiert zwei Gegenvorschläge zur Initiative.
- Wirtschaftsverbände intensivieren ihre Lobbyarbeit bei Mitteparteien.
- Unternehmen befürchten massiven administrativen Mehraufwand und eine Systemumstellung.
Steuerschulden als Problem in Basel
Die Initiative "Lohnabzug statt Betreibung" der SP Basel will die Überschuldung von Privatpersonen bekämpfen. Statistiken zeigen, dass in Basel fast jede zwanzigste erwerbstätige Person wegen Steuerschulden betrieben wird. Neben den Krankenkassenprämien gelten unbezahlte Steuerrechnungen als eine Hauptursache für finanzielle Schwierigkeiten in der Bevölkerung.
Die SP schlägt vor, dass Betriebe mit über zehn Mitarbeitenden die Steuern direkt vom Lohn abziehen und an die Steuerverwaltung überweisen. Dies soll nur geschehen, wenn der Arbeitnehmer dem nicht explizit widerspricht. Die Befürworter sehen darin eine präventive Massnahme gegen Verschuldung und eine Entlastung für Betroffene.
Faktencheck
- Ursache für Überschuldung: Steuerrechnungen und Krankenkassenprämien sind die häufigsten Gründe.
- Betroffene in Basel: Fast 5% der Erwerbstätigen werden wegen Steuerschulden betrieben.
- Vorschlag der SP: Obligatorischer Lohnabzug für Steuern bei Firmen über 10 Mitarbeitern, es sei denn, der Arbeitnehmer lehnt dies ab.
Intensive Lobbyarbeit der Wirtschaftsverbände
Vor der entscheidenden Debatte im Grossen Rat am kommenden Mittwoch verstärken die Basler Wirtschaftsverbände und der Arbeitgeberverband ihre Lobbyaktivitäten. Obwohl die Basler Regierung und fünf von acht Fraktionen im Grossen Rat der Initiative eher ablehnend gegenüberstehen, investieren die Verbände viel Zeit, um ihre Position zu verdeutlichen.
Besonders Vertreter der GLP, Mitte und EVP werden vermehrt kontaktiert. Grossrat Johannes Sieber (GLP) zeigt sich überrascht über die Intensität der Lobbyarbeit. Er merkt an, dass es sich "im Verhältnis zur tatsächlichen Bedeutung des Grossratentscheids vom kommenden Mittwoch" um eine "auffällig starke" Aktivität handle. Schliesslich gehe es nur um einen Gegenvorschlag des Parlaments zur Initiative. "Den wirklichen Entscheid trifft letztlich immer noch das Volk", so Sieber.
"Im Verhältnis zur tatsächlichen Bedeutung des Grossratentscheids vom kommenden Mittwoch scheint die derzeitige Lobbyaktivität schon auffällig stark."
Arbeitgeber befürchten Systemumstellung
Frank Linhart, Mediensprecher des Arbeitgeberverbands, bestätigt die Lobbyarbeit. Er betont, dass es zur normalen Arbeit eines Interessenverbands gehöre, die eigene Position darzulegen und Meinungen zu beeinflussen. Der Entscheid am Mittwoch sei von grosser Bedeutung, da er eine markante Systemumstellung zur Folge haben könne und somit auch eine Signalwirkung besitze.
Die Arbeitgeber befürchten, künftig anstelle des Staates die Steuern eintreiben zu müssen. "Man kann sich vorstellen, welche Forderungen dann als Nächstes kommen", so Linhart. Er nennt mögliche Szenarien, in denen Arbeitgeber auch für Abzüge von Krankenkassenprämien oder Abokosten verantwortlich gemacht werden könnten. Der Widerstand des Arbeitgeberverbands basiere hauptsächlich auf ordnungspolitischen Gründen.
Hintergrund der Debatte
Der Grosse Rat kann eine Volksinitiative befürworten, ablehnen oder einen Gegenvorschlag unterbreiten. Im vorliegenden Fall existieren sogar zwei unterschiedliche Gegenvorschläge: einer von der linken Kommissionsminderheit und ein weiterer von der bürgerlichen Kommissionsmehrheit. Der Entscheid des Grossen Rates kann somit richtungsweisend für die spätere Volksabstimmung sein.
Gewerbeverband warnt vor administrativem Mehraufwand
Auch der Basler Gewerbeverband schätzt die kommende Grossratsdebatte als sehr wichtig ein und hält seinen Aufwand für angemessen. Daniel Schindler, Mediensprecher des Gewerbeverbands, warnt vor einem "Entscheid mit grosser Tragweite".
Ein Direktabzugssystem würde den administrativen Aufwand der Unternehmen massiv erhöhen, so Schindler. Dies gelte sowohl bei Annahme der Initiative als auch des Gegenvorschlags der Kommissionsminderheit. Nur der Gegenvorschlag der Kommissionsmehrheit sei für den Gewerbeverband sinnvoll, da er die Ursachen von Steuerschulden gezielt angehe, ohne bürokratischen Aufwand für die Unternehmen zu generieren.
Strategische Überlegungen der Initianten
Eine weitere Facette in dieser Debatte ist die Möglichkeit, dass die Initianten ihr Begehren zurückziehen könnten, falls sich der Grosse Rat für den Gegenvorschlag der Kommissionsminderheit entscheidet. In diesem Fall müssten die Wirtschaftsverbände ein Referendum lancieren, um überhaupt eine Volksabstimmung herbeizuführen. Dies zeigt die Komplexität und die strategischen Überlegungen hinter der aktuellen Lobbyarbeit.
Blick auf die kommende Debatte
Die Diskussion im Grossen Rat konnte vergangene Woche wegen der langen Rednerliste nicht abgeschlossen werden und wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt. Die Entscheidung des Parlaments wird mit Spannung erwartet, da sie den weiteren Verlauf dieser wichtigen Initiative massgeblich beeinflussen wird. Es bleibt abzuwarten, welcher Weg gewählt wird, um das Problem der Steuerschulden in Basel anzugehen.
Die Initiative zielt darauf ab, die finanzielle Stabilität der Basler Bevölkerung zu verbessern, stösst jedoch auf erheblichen Widerstand bei den Unternehmen, die eine Zunahme ihrer administrativen Last befürchten. Die Balance zwischen sozialem Schutz und unternehmerischer Entlastung ist ein zentraler Punkt dieser politischen Auseinandersetzung.





