Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts Sotomo zeigt auf, dass die Schweiz bis 2050 mit einem Bevölkerungswachstum auf 11 Millionen Menschen rechnen muss. Dies erfordert die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum. Besonders die Agglomerationsgemeinden rund um die grossen Ballungszentren, die gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sind, bieten hierfür grosses Potenzial. In der Region Basel stechen Pratteln und Münchenstein hervor, die landesweit zu den Top 20 der Gemeinden mit dem höchsten Verdichtungspotenzial zählen. Auch das Basler Gundeli-Quartier wird als Vorzeigebeispiel für gelungene Stadtentwicklung genannt.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Schweiz benötigt bis 2050 Wohnraum für zusätzlich zwei Millionen Menschen.
- Münchenstein und Pratteln sind Gemeinden mit hohem Verdichtungspotenzial in der Region Basel.
- Das Gundeli-Quartier in Basel gilt als Vorbild für eine Kombination aus hoher Dichte und Lebensqualität.
- Überbauungen über Bahngleisen stellen in Basel eine technisch und wirtschaftlich grosse Herausforderung dar.
- Nachhaltiges Wachstum unter Berücksichtigung von Verkehr und Grünflächen ist entscheidend.
Bevölkerungswachstum und Wohnraumbedarf
Der Bund prognostiziert, dass die Einwohnerzahl der Schweiz in den nächsten 25 bis 30 Jahren die Marke von 11 Millionen erreichen könnte. Dies bedeutet, dass in den kommenden Jahrzehnten zwei Millionen zusätzliche Menschen in der Schweiz leben, arbeiten und zur Schule gehen werden. Diese Entwicklung stellt eine erhebliche Herausforderung für die Raumplanung und die Bereitstellung von Wohnraum dar.
Das Forschungsinstitut Sotomo hat in einer umfassenden Studie untersucht, wo dieses Wachstum am besten stattfinden kann. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass insbesondere Gemeinden in den Agglomerationen der grossen Städte, die eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr (ÖV) aufweisen, das grösste Potenzial für eine nachhaltige Verdichtung bieten. Diese Gemeinden können einen wesentlichen Beitrag zur Deckung des zukünftigen Wohnraumbedarfs leisten.
Faktencheck: Verdichtungspotenzial
Die Sotomo-Studie identifiziert Gemeinden mit hohem Verdichtungspotenzial anhand von Kriterien wie ÖV-Anbindung, vorhandener Infrastruktur und ungenutzten Flächen. Diese Gebiete sind ideal für die Schaffung neuen Wohnraums, ohne die Landschaft unnötig zu zersiedeln.
Münchenstein und Pratteln: Top-Standorte im Baselbiet
In der Region Basel zeigen Pratteln und Münchenstein ein besonders hohes Verdichtungspotenzial. Beide Gemeinden gehören national zu den Top 20 der Standorte, die für zukünftiges Wachstum prädestiniert sind. Ihre Nähe zur Stadt Basel und die hervorragende Anbindung an den öffentlichen Verkehr sind entscheidende Faktoren.
Münchenstein ist über die S-Bahn sowie zwei Tramlinien erschlossen und verfügt über wichtige Entwicklungsareale. Das prominenteste davon ist der Dreispitz, der zu knapp der Hälfte auf Münchensteiner Boden liegt. Dieses Areal birgt grosses Potenzial für die Schaffung von Wohn- und Arbeitsräumen.
«Wir müssen im Gemeinderat nun erst einmal eine Auslegeordnung vornehmen und definieren, was wir vom Dreispitz wollen.»
Daniel Altermatt (GLP), Gemeinderat Münchenstein
Herausforderungen in Münchenstein
Trotz des grossen Potenzials gab es in Münchenstein kürzlich einen Rückschlag: Die Sistierung des Uni-Campus Dreispitz durch die Baselbieter Regierung hat die Planungen erschwert. Daniel Altermatt, im Gemeinderat zuständig für Raumplanung, Energie und Umwelt, betont die Notwendigkeit einer Neuausrichtung. Eine Arbeitsgruppe mit der Grundeigentümerin, der Christoph Merian Stiftung, wurde eingesetzt, um die zukünftige Entwicklung des Areals zu definieren.
Altermatt äussert sich vorsichtig bezüglich des Anteils an Wohnungen auf dem Dreispitz. Er befürchtet, dass zu viele neue Wohnungen den Bau eines zusätzlichen Schulhauses erforderlich machen würden, da der Weg zum nächstgelegenen Schulhaus Lange Heid für jüngere Kinder zu weit ist. Die Entwicklung auf anderen Arealen in Münchenstein verläuft ebenfalls schleppend, was das Wachstum der Gemeinde in den letzten zehn Jahren gebremst hat.
Historischer Kontext: Siedlungsentwicklung
Altermatt kritisiert die ausgedehnten Einfamilienhausquartiere des letzten Jahrhunderts als «Land- und Energieverschwendung». Er plädiert für eine effizientere Nutzung des Bodens durch Verdichtung, um den aktuellen Anforderungen an nachhaltige Siedlungsentwicklung gerecht zu werden.
Pratteln: Urbanisierung im Baselbiet
Pratteln gilt bereits als eine der urbansten Gemeinden des Kantons Basel-Landschaft. Die in den letzten Jahren entstandenen Hochhäuser rund um den Bahnhof sind sichtbare Zeichen dieser Entwicklung. Pratteln setzt seinen Wachstumskurs fort; mehrere Quartierpläne sind in Arbeit. Das Projekt Bredella-West wurde im vergangenen Jahr von der Bevölkerung mit grosser Mehrheit angenommen.
Gemeindepräsident Stephan Burgunder sieht dies als Bestätigung, dass die Bevölkerung den Wachstumskurs mitträgt. Er betont jedoch, dass Wachstum organisch und nicht überstürzt erfolgen muss. Dabei sind die Themen Verkehr und Grünräume zwingend zu berücksichtigen.
«Wir wollen nicht nur quantitativ, sondern vor allem auch qualitativ wachsen.»
Stephan Burgunder (FDP), Gemeindepräsident Pratteln
Aus diesem Grund wird das Areal Salina Raurica, eines der grössten Entwicklungsgebiete des Kantons mit 220'000 Quadratmetern, derzeit bewusst nicht angegangen. Die Konzentration liegt auf den bestehenden Quartierplänen. Burgunder unterstreicht, dass «moderates» Wachstum notwendig ist, um die finanzielle Stabilität der Gemeinde zu sichern.
Basel: Potenzial über den Bahngleisen?
Im Gegensatz zu Pratteln und Münchenstein weist die Stadt Basel deutlich weniger Wachstumspotenzial auf. Im nationalen Ranking belegt Basel Platz 65, während die Baselbieter Gemeinden in den Top 20 vertreten sind. Die Sotomo-Studie identifiziert neben bekannten Entwicklungsarealen wie Klybeck, Dreispitz und Rosental auch unkonventionelle Potenziale: unmittelbar in Bahnhofsnähe und direkt über den Bahngleisen.
Die Idee, Wohnraum über dem Gleisfeld zu schaffen, wird als «spannendes Thema» diskutiert, so Kantonsbaumeister Beat Aeberhard. Solche Projekte sind jedoch aktuell oft weder wirtschaftlich noch nachhaltig umsetzbar. Aeberhard erklärt, dass ein Immobilienmarkt wie in New York nötig wäre, damit sich ein Hochhaus über dem Gleis in Basel finanziell rechnet.
Herausforderungen von Gleisüberbauungen
Ein aktuelles Beispiel ist das Projekt Nauentor in Basel, eine geplante Gleisüberbauung. Die Bauherrinnen Post und SBB betonen die enormen Schwierigkeiten solcher Vorhaben. Es geht um enge Platzverhältnisse, höchste Sicherheitsvorgaben und eine komplexe Zu- und Abfuhr von Materialien.
- Technische Komplexität: Bauen über aktiven Bahngleisen erfordert spezielle Technologien und Sicherungsmassnahmen.
- Hohe Kosten: Die aufwendigen Bauweisen und Sicherheitsanforderungen treiben die Projektkosten in die Höhe.
- Wirtschaftlichkeit: Diese hohen Kosten wirken sich direkt auf die potenziellen Mietpreise aus und können die Wirtschaftlichkeit der Projekte negativ beeinflussen.
SBB-Sprecher Moritz Weisskopf bestätigt: «Das alles ist technisch hochkomplex und teuer – mit direkten Folgen für die Wirtschaftlichkeit und letztlich auch die potenziellen Mietpreise.» Daher wächst Basel derzeit eher entlang der Bahngleise, beispielsweise mit Arealen wie Lysbüchel oder Wolf, als direkt über ihnen.