Die Schweizer Hochschullandschaft steht vor erheblichen Herausforderungen. Geplante jährliche Einsparungen von 460 Millionen Franken im Bereich Bildung, Forschung und Innovation (BFI) haben landesweite Proteste ausgelöst. Studierende, Doktorierende und Dozierende äussern ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Qualität von Lehre und Spitzenforschung sowie der Gefahr eines «Brain Drains».
Wichtige Punkte
- Geplante Einsparungen von 460 Millionen Franken jährlich im BFI-Bereich führen zu landesweiten Protesten.
- Die Universität Basel befürchtet eine doppelte Arbeitsbelastung für Dozierende und weniger Zeit für Forschung.
- Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) könnte bis zu 700 exzellente Forschungsprojekte ablehnen müssen.
- Internationale Forschende warnen vor einem «Brain Drain» und dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.
- Die Universität Basel plant, die Studiengebühren nicht zu erhöhen, trotz der drohenden Kürzungen.
Bundesrat plant massive Kürzungen
Der Bundesrat hat mit seinem Entlastungspaket 2027 weitreichende Konsequenzen für Schweizer Hochschulen angekündigt. Diese umfassen potenziell eine Verdoppelung der Studiengebühren für Schweizer Studierende und eine Vervierfachung für ausländische Studierende. Zudem sind reduzierte Finanzmittel für Forschungsprojekte vorgesehen. Insgesamt sollen jährlich 460 Millionen Franken im BFI-Bereich eingespart werden.
Am vergangenen Mittwoch versammelten sich Hochschulangehörige in verschiedenen Städten der Schweiz, darunter Basel, um gegen diese Pläne zu protestieren. Am Abend fand eine grosse nationale Demonstration in Bern statt. Die Demonstrierenden befürchten, dass die Kürzungen zu einem signifikanten Rückgang der Qualität in der Hochschulausbildung und der Spitzenforschung führen werden.
Faktencheck: Sparpaket 2027
- Einsparungen: 460 Millionen Franken pro Jahr im Bildungs-, Forschungs- und Innovationsbereich (BFI).
- Betroffene Bereiche: Bundesbeiträge an Hochschulen, Schweizerischer Nationalfonds (SNF), Innosuisse.
- Potenzielle Auswirkungen: Erhöhung der Studiengebühren, Ablehnung von Forschungsprojekten, erhöhte Arbeitsbelastung für Dozierende.
Auswirkungen auf Lehre und Forschung
Maria Tranter, Post-Doktorandin am Departement Geschichte der Universität Basel, schildert die bereits spürbaren Auswirkungen. «In den letzten Jahren hat der Aufwand für den Unterricht stark zugenommen: Kurse, die normalerweise von rund 15 Studierenden besucht wurden, zählen nun 30 Studierende», so Tranter. Dies bedeutet für sie eine doppelte Arbeitsbelastung.
Tranter ist zu 60 Prozent an der Universität Basel angestellt. Ihre Aufgaben umfassen zu 20 Prozent Lehre und administrative Tätigkeiten, während 40 Prozent der Forschung gewidmet sein sollten. Da akademische Karrieren massgeblich auf Forschung basieren, führt der erhöhte Lehranteil zu weniger Zeit für eigene Forschung und die Akquise von Fördermitteln. Sie arbeitet heute bereits deutlich über ihr vertraglich vereinbartes Pensum hinaus.
«In den letzten Jahren hat der Aufwand für den Unterricht stark zugenommen: Kurse, die normalerweise von rund 15 Studierenden besucht wurden, zählen nun 30 Studierende. Das bedeutet für mich die doppelte Arbeitsbelastung.»
Wachsender Druck auf Dozierende
Das geplante Sparpaket würde dieses Problem noch verschärfen. Universitäten werden nach der Anzahl ihrer Studierenden bewertet. «Das heisst, dass die Studierendenzahl zwar wachsen wird, aber immer weniger Dozierende und Assistenten diese betreuen können», erklärt Tranter. Dies könnte zu einem weiteren Qualitätsverlust in der Ausbildung führen.
Hintergrund: Schweizerischer Nationalfonds (SNF)
Der Schweizerische Nationalfonds fördert im Auftrag des Bundes die Grundlagenforschung in allen wissenschaftlichen Disziplinen. Er ist eine der wichtigsten Institutionen zur Sicherung der wissenschaftlichen Exzellenz und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz auf internationaler Ebene.
Das Entlastungspaket sieht auch vor, die Bundesbeiträge an den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und die Agentur für Innovationsförderung Innosuisse um je zehn Prozent zu kürzen. Zwischen 2026 und 2028 müsste der SNF Einsparungen von mindestens 400 Millionen Franken vornehmen. Institutionen im BFI-Bereich befürchten, dass der SNF dadurch gezwungen wird, die Finanzierung von rund 700 Forschungsprojekten abzulehnen, obwohl diese alle Kriterien für wissenschaftliche Exzellenz erfüllen.
Die Auswirkungen sind bereits heute spürbar. Die blosse Ankündigung der Sparmassnahmen ab 2026 hat dazu geführt, dass weniger Fördergelder gesprochen werden. Tranter warnt: «Ein Mangel an Forschungsstellen bedeutet zugleich weniger interessante und relevante Forschung.» Projekte, die dennoch durchgeführt werden, müssten entweder von Dritten finanziert werden, die ein direktes Interesse an den Ergebnissen haben, oder es handle sich um «sehr, sehr klar umschriebene Forschung, bei der man im Grunde genommen das Ergebnis bereits kennt.»
Gefahr des «Brain Drain»
Tomas Sousa, Doktorand am Departement Physik der Universität Basel, äussert ebenfalls grosse Sorge. Er kam 2023 aus Portugal in die Schweiz, da sein Heimatland aufgrund von Sparprogrammen im Forschungsbereich einen erheblichen «Brain Drain» erlebte. Viele Studierende und Forschende wanderten ab.
Sousa plädiert nicht nur gegen die Sparpläne in der Schweiz, sondern betont auch, dass jetzt der ideale Zeitpunkt für Investitionen in die Forschung wäre. Er verweist auf ähnliche Sparprogramme in anderen europäischen Ländern wie Dänemark, Deutschland, Grossbritannien, Schweden, Finnland und Irland. Die dortigen Folgen waren laut Sousa Massenkündigungen und ein sogenannter «Brain Drain».
«Einer der Gründe, warum ich heute zu Ihnen spreche, ist, dass ich in meinem Land keine Zukunft hatte. Die Schweiz profitiert enorm davon, dass jeder mitmachen und einen Beitrag leisten kann.»
Internationale Attraktivität in Gefahr
Sousa befürchtet, dass die Schweiz weniger Spitzenforschende, Gastwissenschaftlerinnen und internationale Studierende anziehen wird. Dies könnte das internationale Ansehen des Landes als Forschungsstandort erheblich beeinträchtigen. Die Schweiz gilt in der Forschung als eines der wettbewerbsfähigsten Länder weltweit. Dies zeigt sich auch an der hohen Anzahl von Bewerbungen für Forschungsstellen: «Jedes Mal, wenn wir eine Stelle im Fachbereich Physik ausschreiben, bewerben sich Menschen aus aller Welt.»
Die geplante Erhöhung der Studiengebühren für internationale Studierende durch das Sparprogramm des Bundes ist daher ein grosses Problem. Sousa betont den Nutzen der internationalen Vielfalt: «Der Forschungsstand hier ist nur so stark, weil jeder mitmachen und einen Beitrag leisten kann.» Er lädt dazu ein, in den Büros der Physik- oder Chemiefakultät zu zählen, wie viele Schweizer dort arbeiten – «es sind sehr wenige», so Sousa.
Angesichts der Erfahrungen aus anderen Ländern mit ähnlichen Kürzungen in Bildung und Forschung plädiert Sousa für eine sehr sorgfältige Entscheidungsfindung, da die langfristigen Konsequenzen gravierend sein könnten.
Reaktionen und lokale Entscheidungen
Der nationale Dachverband der Schweizer Studierendenschaften, der die Interessen von über 140'000 Studierenden vertritt, fordert den Bund auf, die Sparpläne zu überdenken. Eine entsprechende Petition wurde am Mittwochabend in Bern auf dem Bundesplatz eingereicht. Ob Bundesrätin Karin Keller-Sutter diese persönlich entgegennahm, war bis Redaktionsschluss unklar.
Sollte das Parlament die Einsparungen im BFI-Bereich dennoch beschliessen, bleibt abzuwarten, welche genauen Auswirkungen dies für Studierende an der Universität Basel hätte. Wie bereits von der bz basel berichtet und von Uni-Sprecher Matthias Geering bestätigt, plant die Universität Basel derzeit keine Erhöhung der Studiengebühren. «Das ist bei uns derzeit kein Thema», so Geering.
Nach dem Entscheid des Parlaments müssten grundsätzliche Fragen zur Finanzierung der Universität gestellt werden. Die Studiengebühren seien jedoch nicht der erste Ansatzpunkt für mögliche Anpassungen, heisst es aus Basel. Die Universität Basel versucht, die Auswirkungen der nationalen Sparpläne auf ihre Studierenden so gering wie möglich zu halten.