Ein geplanter Anbau am St.-Galler-Ring 29 in Basel sorgt für Konflikte. Anwohner des Iselin-Quartiers befürchten durch das Bauvorhaben eine Verschlechterung ihrer Lebensqualität. Sie mobilisieren sich gegen die Schliessung einer sogenannten «städtebaulichen Lücke», die ihrer Meinung nach Licht und Luft in ihre Innenhöfe bringt. Der Eigentümer des Gebäudes hingegen sieht in dem Anbau eine notwendige Aufwertung seiner Liegenschaft und kritisiert das langwierige Verfahren.
Wichtige Punkte
- Anwohner wehren sich gegen geplanten Anbau am St.-Galler-Ring 29 in Basel.
- Sie befürchten Schattenwurf und Hitzestau durch die Schliessung einer Baulücke.
- Der Eigentümer plant die Aufwertung von vier Wohnungen zu modernen Einheiten.
- Die Stadtbildkommission stufte die Lücke ursprünglich als «qualitätsvoll» ein, die Baurekurskommission widersprach.
- Einsprachefrist für das aktuelle Baugesuch läuft am 7. November ab.
Geplanter Anbau erhitzt Gemüter im Iselin-Quartier
Die Nachbarschaft im Basler Iselin-Quartier hat monatelang auf die Veröffentlichung des Baugesuchs gewartet. Am 8. Oktober wurde es offiziell publiziert. Es geht um die Schliessung einer Baulücke, die von der Stadtbildkommission als «städtebauliche Lücke» bezeichnet wird. Der Eigentümer des Hauses am St.-Galler-Ring 29 plant, diese Lücke mit einem modernen Anbau zu schliessen. Dieser Anbau soll zusätzlichen Wohnraum schaffen und die vier bestehenden Wohnungen mit modernen Wohnküchen und grösseren Balkonen ausstatten.
Anwohner wie Rolf Lüthi mobilisieren seit Februar gegen das Vorhaben. Ein Flugblatt warnt vor einer „Bedrohung von Stadtbild und Lebensqualität“. Ein Transparent an der Fassade von Lüthis Haus macht den Widerstand öffentlich sichtbar. Der Fall verdeutlicht, wie selbst kleinere Veränderungen im Stadtbild zu intensiven Debatten führen können.
Faktencheck
- Baujahr der Liegenschaft: 1908
- Erbschaft durch den heutigen Eigentümer: 2003
- Anzahl betroffener Wohnungen: 4
- Publikation des aktuellen Baugesuchs: 8. Oktober
- Ende der Einsprachefrist: 7. November
Kritik an «Luxuswohnungen» und Verfahrensdauer
Die Gegner des Projekts befürchten, dass durch den Anbau «Luxuswohnungen» entstehen. Der Eigentümer bestätigt, dass die Wohnungen nach dem Umbau teurer werden. Er erklärt, dass die Liegenschaft, die er 2003 geerbt hat, über 100 Jahre alte Badezimmer und Küchenböden besitzt. Kleinere Renovationen in der Vergangenheit reichten nicht aus, um den Zustand des Hauses grundlegend zu verbessern.
Die Nähe zum aufstrebenden Pharma-Cluster im Bachgraben-Gebiet hat die Idee eines umfassenden Umbaus gefördert. Anstelle einer einfachen Renovation soll nun ein Haus mit Lift und modernen Wohnungen entstehen. Der Besitzer erwartet dadurch ein höheres Einkommen für sich und die Stadt Basel.
«Es blieb trotzdem ein altes Haus, Badezimmer und Küchenböden stammen noch aus der Zeit von vor 100 Jahren.»
– Eigentümer der Liegenschaft St.-Galler-Ring 29
Rechtlicher Hintergrund und abgelehnte Einsprachen
Das generelle Bauvorhaben wurde bereits am 7. September 2022 publiziert. Mehrere Einsprachen folgten. Die meisten davon wurden abgewiesen, bis auf eine, die teilweise gutgeheissen wurde. Die Stadtbildkommission hatte die Schliessung der Lücke ursprünglich als ästhetisch nicht bewilligungsfähig eingestuft und sprach von einer «qualitätsvollen städtebaulichen Lücke». Diese Argumentation wurde jedoch von der Baurekurskommission am 20. März 2024 kassiert.
Die Baurekurskommission stellte fest, dass die Lücke zufällig entstanden und nicht das Ergebnis städtebaulicher Überlegungen war. Auch die Schonzonenbestimmungen wurden als nicht hinderlich für die Schliessung der Lücke beurteilt. Im Dezember 2024 kam das Bauinspektorat in seinem Vorentscheid ebenfalls zum Schluss, dass das Bauvorhaben grundsätzlich bewilligungsfähig sei, sofern die gestalterischen Vorgaben des kantonalen Bau- und Planungsgesetzes eingehalten werden.
Hintergrund der Baulücke
Die umstrittene Baulücke befindet sich zwischen zwei Liegenschaften an der Bündnerstrasse. Die Debatte dreht sich darum, ob diese Lücke ein bewusst geschaffenes Element des Stadtbildes oder ein zufälliges Ergebnis der Bebauung ist. Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Stadtbildkommission und Baurekurskommission verdeutlichen die Komplexität solcher städtebaulichen Bewertungen.
Schattenwurf und Hitzestau: Die Sorgen der Anwohner
Trotz der bisherigen Entscheide sieht der Anwohner Rolf Lüthi seine Einsprache nicht als aussichtslos an. Er befürchtet durch den geplanten Anbau Schattenwurf und Hitzestau im Innenhof. Besonders der Lichtverlust sei ein entscheidendes Argument. Lüthi ist überzeugt, dass Einzeleinsprachen effektiver sind als Sammeleinsprachen. Die Frist für die Einreichung weiterer Einsprachen endet am 7. November.
Der Eigentümer der Liegenschaft weist diese Bedenken zurück. Er betont, dass Fragen zu Licht- und Luftzirkulation sowie andere Einwände bereits in früheren Einspracheverfahren behandelt und abgehakt wurden. Er erwartet daher, dass die aktuellen Einsprachen gar nicht erst zur Prüfung zugelassen werden.
Kritik an der Stadtbildkommission und Verfahrensdauer
Der Bauherr kritisiert die extrem lange Verfahrensdauer. Seit dem Einreichen des ersten generellen Baubegehrens sind über 1150 Tage vergangen. Er sieht sein Projekt nun auf der Zielgeraden. Insbesondere bemängelt er die Rolle der Stadtbildkommission, die sich im Verfahren quasi selbst ermächtigt habe. Im Mai 2025 wurde die Kommission jedoch zurückgepfiffen, da das Projekt weder von grosser Tragweite noch grundsätzlicher Natur sei. Die weitere Begleitung wurde an das Fachsekretariat der Stadtbildkommission delegiert.
Am Ende des mehr als dreijährigen Verfahrens resultierte lediglich eine kleine Änderung: Das dritte Obergeschoss erhält nun eine Loggia anstelle eines offenen Balkons. Die Frage, ob das Projekt unter die Wohnschutzbestimmungen fällt, ist noch offen. Da es um vier Wohnungen geht, könnte der Um- und Ausbau das Kriterium «geschützter bezahlbarer Wohnraum» erfüllen. Das Baudepartement nimmt hierzu aufgrund des laufenden Verfahrens keine Stellung.
Chronologie des Verfahrens
- 7. September 2022: Publikation des generellen Bauvorhabens.
- 20. März 2024: Baurekurskommission kassiert Argumentation der Stadtbildkommission.
- Dezember 2024: Bauinspektorat erklärt Bauvorhaben grundsätzlich für bewilligungsfähig.
- Mai 2025: Stadtbildkommission wird zurückgepfiffen, weitere Begleitung an Fachsekretariat delegiert.
- 8. Oktober (aktuell): Publikation des Baugesuchs.
- 7. November (aktuell): Ende der Einsprachefrist.