Ein neuer Trend verändert das Ausgehverhalten in Basel. Statt in dunklen Clubs bis tief in die Nacht zu feiern, treffen sich immer mehr Menschen am helllichten Tag in Cafés und Restaurants, um zu tanzen. Angetrieben wird die Stimmung nicht von Alkohol, sondern von Espresso und elektronischer Musik. Diese sogenannten «Coffee-Raves» entsprechen dem Lebensgefühl einer neuen Generation und stellen eine kreative Antwort auf die Herausforderungen der klassischen Clubkultur dar.
Das Wichtigste in Kürze
- In Basel finden zunehmend «Coffee-Raves» statt – Partys am Tag mit Kaffee statt Alkohol.
- Der Trend spricht eine junge, gesundheitsbewusste Zielgruppe an, die den Abend frei haben möchte.
- Traditionelle Clubs kämpfen mit sinkendem Getränkekonsum und steigenden Kosten.
- Für Veranstalter wie das Restaurant Lora sind die Events gutes Marketing, auch wenn sie keine Goldgrube sind.
- Die Schweizer Bar und Klubkommission sieht die Tagespartys als Ergänzung, nicht als Konkurrenz.
Tanzen im Tageslicht
Es ist Samstagmittag in Basel. Während die meisten Menschen ihren Wocheneinkauf erledigen oder zu Mittag essen, wummern aus dem Restaurant Lora elektronische Bässe. Drinnen tanzt eine junge Menge, in den Händen halten sie Tassen statt Longdrink-Gläser. Willkommen beim «Coffee-Rave», einem Phänomen, das ursprünglich aus Los Angeles stammt und über soziale Medien seinen Weg in die Schweiz gefunden hat.
Claudio Rudin, Mitinhaber des Lora, erkannte das Potenzial früh. «Wir haben über die sozialen Medien entdeckt, dass international ein Run auf solche Events stattfindet», erklärt er. «Dann haben wir uns gesagt: Wir haben eine prädestinierte Location hier. Lasst uns das auch mal versuchen.»
Der Erfolg gab ihm recht. Bereits drei dieser Tagespartys haben im Lora stattgefunden, alle waren gut besucht. Die Zielgruppe ist überwiegend zwischen 18 und 35 Jahre alt, aber das Konzept zieht auch andere an, die keine Lust mehr haben, sich die Nächte um die Ohren zu schlagen.
Ein verändertes Bedürfnis
Die Gründe für die wachsende Beliebtheit sind vielfältig. Viele junge Menschen leben bewusster und trinken weniger Alkohol. Eine Party ohne den Kater am nächsten Tag ist für sie attraktiv. Zudem schätzen es die Besucher, den Abend noch für andere Aktivitäten oder zur Erholung nutzen zu können. Man tanzt von Mittag bis in den frühen Abend und hat danach noch den Rest des Wochenendes vor sich.
Dieser Wandel im Ausgehverhalten wird auch von Branchenkennern beobachtet.
«Es besteht ein grosses Interesse daran, dass man auch am Tag feiern kann. Die Leute wollen sich nicht mehr die ganze Nacht um die Ohren hauen», sagt Alexander Bücheli, Mediensprecher der Schweizer Bar und Klubkommission.
Es geht nicht nur um die Uhrzeit, sondern auch um den Ort. Statt in etablierten Clubs wird in Cafés, Bäckereien oder anderen ungewöhnlichen Locations gefeiert, die tagsüber eine ganz andere Funktion haben.
Die Clubszene im Wandel
Während die Coffee-Raves boomen, steht die traditionelle Clubkultur vor grossen Herausforderungen. Steigende Kosten für Personal, Miete und Waren belasten die Betreiber. Gleichzeitig geht der Konsum zurück, was die Haupteinnahmequelle der Clubs direkt trifft.
Sinkender Konsum
Eine Umfrage der Schweizer Bar und Klubkommission zeigt einen deutlichen Rückgang: Zwischen 2018 und 2023 ist der Pro-Kopf-Konsum von Getränken in Clubs um rund 40 Prozent gesunken. Der Getränkeverkauf macht jedoch etwa 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Alexander Bücheli erklärt die Entwicklung mit mehreren Faktoren. Die jüngere Generation sei preissensibler und konsumiere generell weniger Alkohol. Ausserdem sei die Verweildauer im Club kürzer geworden. Man kommt später, geht früher und gibt in dieser Zeit weniger Geld aus.
Kreativität als Überlebensstrategie
Für Veranstaltungsorte wie das Restaurant Lora ist der Coffee-Rave eine clevere Geschäftsentscheidung. «Eine Goldgrube ist es nicht», gibt Claudio Rudin zu. Aber der Marketingeffekt sei enorm. «Es kommen Menschen vielleicht mal eine Pizza essen, die sonst nicht gekommen wären.»
Zudem nutzt er eine Zeit, in der das Restaurant normalerweise geschlossen wäre. Statt leer zu stehen, wird der Raum mit Leben, Musik und neuen potenziellen Kunden gefüllt. Es ist ein Beispiel dafür, wie Gastronomen in wirtschaftlich angespannten Zeiten kreativ werden müssen, um relevant zu bleiben und neue Einnahmequellen zu erschliessen.
Vom Kellerclub ins Tageslicht
Die Technokultur hat ihre Wurzeln in dunklen Kellern und Lagerhallen. Events wie die erste Street Parade 1992 in Zürich brachten die elektronische Musik erstmals ins Freie und machten sie einem breiten Publikum zugänglich. Die heutigen Coffee-Raves können als eine moderne Weiterentwicklung dieses Gedankens gesehen werden: die Party aus der Nacht zu holen und sie fest im Alltag zu verankern.
Ergänzung statt Konkurrenz
Die Schweizer Bar und Klubkommission betrachtet die neuen Tagesformate nicht als Bedrohung für das klassische Nachtleben. Vielmehr sieht sie darin eine notwendige Ergänzung, die auf die veränderten Wünsche der Gäste eingeht.
Die Clubkultur ist nicht tot, aber sie muss sich anpassen. Formate wie der Coffee-Rave zeigen, dass das grundlegende Bedürfnis nach Gemeinschaft, lauter Musik und Tanz ungebrochen ist. Was sich ändert, sind die Rahmenbedingungen: die Zeit, der Ort und die Getränke.
Letztlich beweist der Trend vor allem eines: Die Lust am Feiern ist eine Konstante. Ob bei Tag oder bei Nacht, mit Kaffee oder Cocktail – die Menschen werden immer Wege finden, zusammenzukommen und das Leben zu zelebrieren.





