Ein neues Gutachten zum Basler Klybeck-Areal, das von der Denkmalpflege in Auftrag gegeben wurde, kritisiert die bisherigen Altlastenuntersuchungen als unzureichend. Der Experte Gerd Rippen warnt vor potenziell gefährlichen Schadstoffen im Boden. Die Eigentümer des Areals, Swiss Life und Rhystadt, weisen diese Kritik entschieden zurück und betonen, dass ihre Vorgehensweise den strikten kantonalen Vorgaben entspricht.
Wichtige Punkte
- Altlastenexperte Gerd Rippen kritisiert unzureichende Schadstoffuntersuchungen auf dem Klybeck-Areal.
- Drei historische Gebäude verlieren Denkmalschutz aufgrund hoher Kontaminierung.
- Eigentümer Swiss Life und Rhystadt widersprechen Rippens Thesen und verweisen auf eigene umfassende Messungen.
- Die Nutzung des Areals für bis zu 8000 Menschen erfordert eine sichere Sanierung.
Klybeck-Areal: Ein neues Stadtquartier auf industriellem Erbe
Das Klybeck-Areal in Basel, ein ehemaliges Produktionsgelände von Novartis und BASF, soll in ein neues Stadtquartier umgewandelt werden. Dieses Vorhaben sieht Wohnraum für bis zu 8000 Menschen vor. Das rund 30 Hektaren grosse Areal gehört den Investoren Swiss Life und Rhystadt, die es in Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Stadt entwickeln. Die industrielle Vergangenheit hat das Gelände jedoch stark mit Schadstoffen belastet. Der Umgang mit diesen Altlasten ist für die zukünftige Nutzung von entscheidender Bedeutung.
Ein zentraler Aspekt der Entwicklung ist die Sicherheit für die künftigen Bewohner. Die Beseitigung der Schadstoffe muss umfassend erfolgen. Nur so kann ein gesundes Lebensumfeld gewährleistet werden. Die Diskussion um die Altlastenuntersuchungen zeigt die Komplexität solcher Grossprojekte.
Hintergrund des Klybeck-Areals
Das Klybeck-Areal war über Jahrzehnte ein wichtiger Industriestandort für die Basler Chemie. Hier produzierten Unternehmen wie Ciba, Novartis und BASF chemische Produkte. Diese intensive Nutzung führte zu einer erheblichen Belastung des Bodens und des Untergrunds mit verschiedenen Schadstoffen. Die Umwandlung in ein Wohn- und Arbeitsquartier erfordert daher eine umfassende Sanierung und genaue Kenntnis der vorhandenen Kontaminationen.
Kritik des Altlastenexperten Gerd Rippen
Altlastenexperte Gerd Rippen hat im Auftrag der Basler Denkmalpflege Gutachten erstellt. Diese Gutachten sollten Empfehlungen zum Denkmalschutz von Bauten auf dem Areal liefern. Rippen kommt darin zu einem kritischen Schluss: Er warnt, dass «jedes Gebäude auf dem Klybeck-Areal unter dem Damoklesschwert einer Kontamination mit leichtflüssigen Substanzen aus der Porenluft steht». Die Gutachten wurden dem Basel Zeitung durch das Baudepartement zugänglich gemacht.
Rippen kritisiert insbesondere, dass die Möglichkeiten der Analytik bisher nicht ausgeschöpft wurden. Er bemängelt, dass krebserregende Stoffe im Staub von Gebäuden nicht untersucht wurden. So seien im Bau 322/328 flüchtige Lösungsmittel wie Di- und Trichlorbenzole im Untergrund dokumentiert. Eine Untersuchung der staubgebundenen Substanzen fehle jedoch vollständig.
«Die thesenartigen Aussagen zum Thema Porenluft halten wir für faktenwidrig und unverantwortlich.»
Denkmalschutz versus Gesundheitsschutz
Basierend auf Rippens Gutachten haben die Kantonale Denkmalpflege und der Denkmalrat drei Objekte aus dem Inventar der schützenswerten Bauten entlassen. Es handelt sich um die Ensembles 90, 322/328 und 370–373, 375, 379, 381. Die Denkmalpflege begründete diese Entscheidung damit, dass der Gesundheitsschutz höher zu gewichten sei als der Denkmalschutz. Diese Gebäude können nun zurückgebaut werden.
Die Organisation Architektur Basel kritisierte dies als «Aushöhlung des städtebaulichen Leitbilds» für das Klybeck-Areal. Sie bezeichnete die Situation als Farce.
Krebserregende Stoffe
- Nitrobenzol: Laut Rippen wurden erhebliche Mengen dieses krebserregenden Stoffs über eine schadhafte Kanalisation abgeleitet.
- Di- und Trichlorbenzole: Diese flüchtigen Lösungsmittel sind im Untergrund von Bau 322/328 dokumentiert.
- Schwefelwasserstoff: Umwandlungsprodukte davon sind im Boden abgelagert. Eine Bodenuntersuchung dazu fehle.
Widerspruch der Eigentümer Swiss Life und Rhystadt
Die Eigentümer Swiss Life und Rhystadt weisen die Vorwürfe von Gerd Rippen entschieden zurück. Die Medienstelle von Rhystadt bezeichnet Rippens Aussagen zur Porenluft als «faktenwidrig und unverantwortlich». Sie verweisen auf umfassende Untersuchungen aus dem Jahr 2015. Eine aktuellere Beurteilung aus dem Jahr 2024 zeige, dass auf den Arealteilen der Rhystadt keine relevanten Schadstoffgehalte in der Porenluft nachzuweisen gewesen seien.
Rhystadt bezieht sich dabei auf Raumluftmessungen des Geotechnischen Instituts Basel. Dieses Institut hatte Bauten mit Untergeschossen in der Nähe von Porenluftmessstellen untersucht, bei denen problematische Stoffe festgestellt wurden. Der entsprechende Bericht ist im Datenraum der Eigentümer einsehbar.
Auch Swiss Life betont, dass die Schadstoffbelastung gut dokumentiert sei. Im Zuge der Entwicklungsarbeiten hätten die beiden Eigentümer das Messdispositiv mit weiteren Untersuchungen und Analysen ergänzt. Dies umfasse Innenraummessungen und Schadstoffgutachten in fast allen Gebäuden, die umgenutzt werden sollen.
Die Eigentümer argumentieren, dass diese zusätzlichen Untersuchungen sogar über die Anforderungen der Altlastenverordnung hinausgehen. Gemäss Verordnung sei eine Untersuchung nur bei Gebäuden notwendig, in denen sich Personen regelmässig über längere Zeit aufhalten.
Unterschiedliche Auffassungen zu Untersuchungsmethoden
Rippen hält den Behauptungen der Eigentümer entgegen: «Wenn man die entsprechenden Beprobungen gemacht hätte, könnte man das behaupten. Man hat aber nicht.» Ein Gutachten des Büros Carbotech stützt Rippens Sichtweise. Es hält fest: «Wir schätzen die Altlastensituation für alle Gebäude kritisch ein, da sich das Klybeck-Areal auf einem Untergrund befindet, welcher einer teilweise versiegelten Chemiemülldeponie nahekommt.»
Für Rippen ist klar, dass eine systematische Untersuchung des Bodens auf dem Klybeck-Areal notwendig ist. Er verweist auf seine Erfahrungen bei der Sanierung des Metro-Geländes in Ludwigshafen. Dort wurde ein 4,5 Hektaren grosses Areal nach dem Rückbau des Grossmarkts in einem Raster von fünf mal fünf Metern untersucht. Rippen fordert ein ähnliches Vorgehen für das Klybeck-Areal.
Swiss Life hingegen beruft sich darauf, dass das gewählte Vorgehen den «strikten kantonalen Vorgaben sowie der gängigen Praxis entspricht». Rippen hält dem entgegen, dass die Altlastenverordnung in Bezug auf die Untersuchung der Bodenluft möglicherweise zu lax sei. In Deutschland sei eine solche Untersuchung beispielsweise verbindlich.
Rolle des Kantons und Ausblick
Der Kanton Basel-Stadt pocht ebenfalls nicht auf Bodenluftmessungen. Das zuständige Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt teilte auf Nachfrage mit, dass auch auf dem Rosental-Areal keine Bodenluftmessung durchgeführt wird. Stattdessen werden Bauvorhaben im belasteten Untergrund mit einem Zelt eingehaust. Die Luft im Inneren sowie im Aussenbereich wird dabei überwacht.
Swiss Life betont ihre besondere Verantwortung als Bauherrin. Das Unternehmen sieht den Umgang mit der industriellen Vergangenheit und der Beseitigung der Schadstoffe nicht als Dilemma. Es verspricht, dass mit der fortschreitenden Planung der Umgang mit den Schadstoffen und deren Beseitigung immer konkreter und fassbarer werden. Die Entwicklung des Klybeck-Areals ist ein langfristiges Projekt, bei dem die Sicherheit und Gesundheit der zukünftigen Bewohner oberste Priorität haben müssen.
Die Debatte um die Altlasten zeigt die Herausforderung, grosse Industrieflächen in lebenswerte Stadtquartiere zu verwandeln. Es geht um die Balance zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, Umweltschutz und der Bewahrung des baulichen Erbes.