Die Berner Staatsanwaltschaft hat umfangreiche Ermittlungen gegen eine in Basel wohnhafte Chinesin abgeschlossen. Die 50-jährige Frau steht im Verdacht, zwischen März 2017 und Juli 2023 mindestens 90 Landsfrauen zur Prostitution gezwungen und ausgebeutet zu haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass die tatsächliche Opferzahl noch deutlich höher liegt.
Wichtige Erkenntnisse
- Eine 50-jährige Basler Chinesin wird des Menschenhandels beschuldigt.
- Sie soll mindestens 90 Frauen zur Prostitution gezwungen haben.
- Die Opfer wurden über Online-Chats angeworben und oft mit falschen Versprechungen gelockt.
- Viele Opfer besassen spanische Aufenthaltsbewilligungen, was auf organisierte Strukturen hindeutet.
- Die Zwangsprostitution fand hauptsächlich in Basel-Stadt und Bern statt.
Umfassende Ermittlungen über sechs Jahre
Die Beschuldigte wurde im Juli 2023 in Basel festgenommen. Dies geschah im Auftrag der Berner Staatsanwaltschaft. An den Ermittlungen waren verschiedene kantonale Polizeibehörden, die Bundeskriminalpolizei, Europol sowie Strafverfolgungsbehörden aus anderen Ländern beteiligt. Die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene unterstreicht die Komplexität des Falles.
Die Frauen, grösstenteils ebenfalls chinesischer Herkunft, wurden über chinesische Online-Chats, insbesondere die App WeChat, angeworben. Ihnen wurden oft falsche Arbeitsangebote gemacht. Nach ihrer Einreise in die Schweiz wurden ihnen häufig die Pässe abgenommen. Die Täter setzten die Frauen unter Druck, indem sie fiktive Schulden für Reisekosten, Kost und Logis geltend machten. So wurden die Opfer in die Zwangsprostitution getrieben.
Fakten zum Fall
- Zeitraum: März 2017 bis Juli 2023
- Bekannte Opfer: Mindestens 90 Frauen
- Hauptorte: Kantone Basel-Stadt und Bern
- Anwerbung: Über chinesische Online-Chats (z.B. WeChat)
- Festnahme: Juli 2023 in Basel
Internationale Verbindungen und spanische Aufenthaltsbewilligungen
Ein auffälliges Detail ist, dass viele der Opfer spanische Aufenthaltsbewilligungen besassen. Dies deutet darauf hin, dass die mutmassliche Menschenhändlerin Teil organisierter Kriminalität war. Die Chinesinnen wurden offenbar über Spanien in die Schweiz gebracht. Fanie Wirth von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ bestätigt, dass die Anwerbung über Chats stark zugenommen hat.
"Oftmals werden die Frauen mit falschen Jobangeboten geködert. Hier werden ihnen dann die Pässe abgenommen und sie werden in die Prostitution gezwungen", erklärt Fanie Wirth. "Unter Druck gesetzt werden die Frauen mit fiktiven Schulden wegen Reisekosten, Kost und Logis."
Obwohl die Berner Staatsanwaltschaft angibt, die Beschuldigte habe grösstenteils selbstständig gehandelt, vermutet Wirth ein System dahinter. Menschenhandel ist oft mit sogenannten Herkunftsclustern verbunden. Die chinesische Diaspora, besonders in Spanien, ermöglicht ein weitreichendes Dienstleistungsnetzwerk, das auch für illegale Zwecke genutzt wird.
Hintergrund: Zunahme der Zwangsprostitution
Die Zwangsprostitution von Chinesinnen hat in den letzten Jahren zugenommen. Thomas Roth von der NGO Victras, die Opfer von Menschenhandel betreut, berichtet von einer rasanten Zunahme von Sexinseraten mit chinesischen Frauen. Spanien scheint eine Drehscheibe für den chinesischen Menschenhandel in Europa zu sein. Europol meldet regelmässig Festnahmen im Zusammenhang mit Menschenhandel und Geldwäsche chinesischer Gruppen auf der Iberischen Halbinsel.
Prostitution in privaten Räumen erschwert Schutz
Die Verlagerung der Prostitution in private Wohnungen, angemietete Appartements und Hotelzimmer stellt eine grosse Herausforderung für den Opferschutz dar. "Sie sind schwerer erreichbar, das macht Kontrollen schwieriger", sagt Fanie Wirth. Dies begünstigt prekäre Zustände für die Sexarbeitenden.
Der Diskurs über Prostitution wird zunehmend härter und moralisierender geführt. Wirth kritisiert Modelle, die Prostitution in den Schatten drängen. Stattdessen müsse Sexarbeit entstigmatisiert werden. Das sogenannte nordische Modell, das nur die Freier kriminalisiert, führe Prostitution in die Illegalität.
Die Rolle von Online-Inseraten
Die Spur der Menschenhändler führt heute oft über Online-Inserate. Während die Opfer von Zwangsprostitution meist über Sexinserate an Freier vermittelt werden, beginnt das Verbrechen oft mit falschen Jobinseraten. Die Berner Ermittler haben auch hier angesetzt, um die Rekrutierung der Opfer nachzuvollziehen. Thomas Roth von Victras fordert, diese Ansätze noch intensiver zu verfolgen.
Es ist davon auszugehen, dass in Branchen, in denen sich die chinesische Diaspora etabliert hat, auch legale Betriebe dem Menschenhandel dienen. Dies kann beispielsweise bei der Beschaffung von Aufenthaltspapieren der Fall sein. Die Ermittlungen in diesem Fall zeigen die weitreichenden und komplexen Strukturen des Menschenhandels.
Ausblick auf den Fall
Die Ermittlungen sind nun abgeschlossen, und der Fall wird voraussichtlich vor Gericht verhandelt. Die hohe Anzahl der Opfer und die internationalen Verflechtungen machen diesen Fall zu einem der bedeutendsten im Bereich Menschenhandel in der Schweiz der letzten Jahre. Der Schutz der Opfer und die Bekämpfung solcher Netzwerke bleiben eine zentrale Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und Hilfsorganisationen.
- Internationale Zusammenarbeit: Ermittlungen mit Europol und anderen Ländern.
- Opferschutz: Herausforderungen durch Prostitution in privaten Räumen.
- Prävention: Notwendigkeit einer intensiveren Überwachung von Online-Job-Inseraten.





